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Beitrag von Lollie Fr Feb 07, 2014 12:26 pm

Hiho,
auf Anregung von Rainbow, stelle ich jetzt nach und nach meine fertige FF zu Deutschland ein. Wenn ich damit fertig bin, kommt zu der weitergehenden FF auch immer etwas, wenn die auf FF.de ein Update bekommt.
Ich orientiere mich grob an der Geschichte und setze mit der Französischen Revolution an und werde mit der Gründung des Deutschen Bundes enden.

Gewaltdarstellung ist noch recht milde gehalten und Schimpfwörter kommen auch eher weniger vor. Pairings werden nur angedeutet und vor allem der Phantasie der Leser überlassen. (Oh Gott, das klingt immer wieder langweilig, wieso sollte das irgendjemand lesen? :D)
Ich würde grundsätzlich keine Altersbeschränkung daran heften, halte es für geeignet ab 12 Jahren (mindestens).

Die Charaktere sind "Hetalia: Axis Powers" entnommen. Nein ich besitze nichts! Rein gar nichts!!

Habt Spaß beim Lesen! Über Kommentare freue ich mich sehr!

Dramatis personae:
Roderich Edelstein / Österreich
Gilbert Beilschmidt / Preußen
Karl / Heiliges Römisches Reich
Francis Bonnefoy / Frankreich
Ludwig Beilschmidt / Deutschland

Ivan Braginsky / Russland
Feliks Łukasiewicz / Polen
Tim Jansen / Holland
Laura / Belgien
Feliciano Vargas / NordItalien (Republik/Kgr. Italien)
Lovino Vargas / Süditalien (Kgr. Neapel)
Elizabeta Héderváry / Ungarn
Arthut Kirkland / Großbritannien
Berwald Oxenstierna / Schweden
Mathias Densen / Dänemark

Antonio Fernández Carriedo / Spanien
Basch Zwingli / Schweiz
Raivis Galante / Lettland
Toris Laurinaitis / Litauen
Eduard von Bock / Estland
Tino Väinämöinen / Finnland


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Beitrag von Lollie Fr Feb 07, 2014 12:32 pm

Innere Zerrissenheit – Der Dualismus
In einem Versammlungssaal in Regensburg* war es mit dem ruhigen Gespräch vorbei, als zwei Streithähne aufeinander trafen.
„Kretin!“, schrie Österreich laut, „Ich werde nie vergessen, dass Schlesien mir gehört!"
„Jetzt gib doch Ruhe deswegen“, schnarrte Preußen und schlug entspannt die Beine übereinander, „Du bist doch nur eingeschnappt!“
„Dreistes Gör!“, schnaubte der Aristokrat. Er wusste, dass er es sich nicht leisten konnte sich zu verausgaben. Sein Gegenüber war unberechenbar und er bereits davon angestrengt durch den Versammlungssaal zu rufen.
„Wenn ich... euch unterbrechen darf...“, keuchte ein kleiner blonder Junge. Seine helle Haut wirkte sehr blass, seine blauen Augen waren trübe und große Schatten zeichneten sich darunter ab. Jedem Anwesenden war klar, dass er krank war, aber niemand hätte es offen ausgesprochen.
„Wir sind... aus einem Grund hier...“, fuhr er mit zitternder Stimme fort, „Innerhalb unserer Grenzen... steht es nicht zum besten... Auch außerhalb ändert sich... die Welt sehr schnell... Deswegen treffen wir uns....“
Nacheinander traten Abgesandte vor und berichteten von ihren großen und kleinen Problemen, während Österreich und Preußen sich weiter zornige Blicke zuwarfen. Noch bevor der letzte Bericht angehört war, geschah das, was jeder befürchten musste, aber keiner für möglich gehalten hätte: Der kleine blonde Junge rutschte von seinem Stuhl und blieb reglos auf dem Boden liegen. Sofort brach hektische Betriebsamkeit aus und Ärzte wurden gerufen.
Noch während der ersten Untersuchung gerieten die beiden größten deutschen Länder wieder aneinander. Sie gaben einander vor dem Zimmer des Kranken gegenseitig die Schuld.
„Du hast Karl zugrunde gerichtet!“, schnaubte Österreich verächtlich, „Deine ständigen Eskapaden sind daran schuld!“
„So ein Käse!“, konterte der Weißhaarige, „Beim Alten Fritz, wer hat denn bitte 30 Jahre lang das Spielchen um den rechten Glauben auf seine Kosten gespielt? Und wer hätte sich um ihn kümmern sollen? Na Roderich? Wessen Herr nennt sich denn Kaiser?“
„Protestantischer Bastard!!“, in diesem Moment flammte in Österreich der alte Zorn auf, der ihn einst auf dem Schlachtfeld angetrieben hatte. Von diesem beflügelt warf er Preußen zu Boden und schlug auf ihn ein, bis er plötzlich ein Klicken hörte.
„Jetzt geh ganz langsam von mir runter“, fauchte Preußen, der sich ein wenig Blut unter der Nase wegwischte und eine geladene Pistole in seiner Hand hielt, „Pass mal auf, Stubenhocker. Letztes Mal kamen dir vielleicht noch Ivan und Francis zu Hilfe*, aber jetzt sind wir auf Reichsboden. Nein, auf deutschem Boden. Hier regeln wir die Dinge unter uns. Wie echte Männer!“
Ein Schein der Kampfeslust des teutonischen Ritters, der er einstmals gewesen war, blitzte in den roten Augen des Albinos auf. Österreich traute sich nicht zu widersprechen und ließ von ihm ab, woraufhin dieser die Pistole sinken ließ und wieder einen etwas versöhnlicheren Ton anschlug:
„Sag' mal, Roderich, was wenn...“
„Was wenn was Gilbert?“, fragte Österreich, obwohl er sich bereits die gleiche Frage stellte.
„Was wenn es zu Ende geht? Was wird dann aus uns? Und mit ihnen?“, Preußen deutete den breiten Flur hinab auf die Vertreter der Reichsstände, die dort hitzig diskutierten.
„Daran brauchst du gar nicht denken“, Österreich lächelte schmal, „Es wird das Reich immer geben, so wie es immer war.“
„Ja... So wie es immer war...“, flüsterte Preußen zu sich und ging langsam den Flur hinab. Weniger wegen sich, mehr für Österreich, der seine Sorgen so nicht vor seinem größten Rivalen zu verbergen brauchte.


______________
*Infos:
Regensburg war der Tagungsort des Immerwährenden Reichstages, einer der zentralen Institutionen des Heiligen Römischen Reichs.
Preußen und Österreich bildeten die beiden größten Staaten im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Der Aufstieg Preußens zu einer Großmacht europäischen Ranges und wachsende Einfluss Bedeutung unter den deutschen Staaten im 18. Jahrhundert hatte die Rivalität mit Österreich verstärkt. Einer der größten Konflikte war der Siebenjährige Krieg, der sich an Schlesien entzündete. Im Reich wurden sowohl Preußen als auch Österreich von anderen Ländern wie Sachsen unterstützt. Außerhalb griffen auf preußischer Seite Großbritannien und Portugal ein und auf Seiten Österreichs kämpften Russland, Schweden und Frankreich mit.
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Beitrag von Lollie Fr Feb 07, 2014 1:04 pm

Der Anfang vom Ende – Der erste Koalitionskrieg
Es war ein gewohnter Anblick für das Heilige Römische Reich. Französische Soldaten marschierten im Westen auf. Diesmal jedoch nicht unter dem Lilienbanner. Frankreich hatte sich geändert. Österreich und Preußen hatten bereits versucht einzugreifen. Mit mäßigem Erfolg.
„Du bist spät!“, grummelte Österreich, der an einem Tisch mit einer Karte saß und die neuesten Truppenbewegungen studierte.
„Ja, ja. Ich komme gerade aus Polen“, antwortete ihm Preußen, auf dessen Uniform Schmutz und Blut zahlreiche Flecken hinterlassen hatten, „Feliks gibt keine Ruhe und Ivan ist einfach unberechenbar, ob als Verbündeter oder als Gegner. Ich habe im Osten alle Hände voll zu tun und du? Du schaffst es nicht einmal, dass Francis Ruhe hält? Mensch, ich dachte ihr versteht euch in letzter Zeit so gut!“
„Das ist nicht mehr der Francis, der er einmal war“, Österreich setzte seine Brille ab und sah Preußen eindringlich an, „Ich erkenne ihn nicht wieder. Arthur und Antonio teilen diese Ansicht. Sie haben auch Probleme ihm entgegenzutreten.“
„Tim kannst du jetzt wohl abschreiben. Er und Laura sind jetzt auf seiner Seite.“
„Das dürfte unser geringstes Problem sein“, Österreichs Mine verfinsterte sich, als er Preußen einen Brief gab.
„Das ist ein Brief aus dem Reich... Ein ärztliches Gutachten? Das ist nicht wahr Roderich, oder?“
„Leider doch. Karl geht es immer schlechter. Er hatte mich erst hierher begleitet. Aber er wird immer wieder bewusstlos. Ich habe ihn zurück geschickt, nach Ärzten gesandt... aber ich wünschte, wir könnten mehr tun...“
„Wenn das so weitergeht, dann können wir nicht einmal uns selbst helfen. Verdammt! Wach auf Roderich!! Alles ändert sich und wenn das so weiter geht, kommen wir unter die Räder. Dann ist es aus!“
„Ach was!“, schmetterte der dunkelhaarige die Einwände ab, „Diese neuen Moden, denen Francis nachhängt, werden auch wieder verschwinden. So wie es immer war!“
„Ja, ja. So wie es immer war“, dachte sich Preußen, während er aus dem Haus trat und auf sein Pferd stieg. Er musste Francis sprechen. Schnell.

Frankreich hatte sich tatsächlich verändert. Das Kinnbärtchen war nicht mehr so sorgfältig gestutzt und schien sich gegen diese Missachtung förmlich zu sträuben. Das lange, wallende Haar war zusammengebunden und unter einem Zweispitz verborgen. Das verführerische Augenzwinkern war einem misstrauischen Blick gewichen, mit dem Preußen bedacht wurde, als er den Raum betrat, in dem sonst Diplomaten und Botschafter empfangen wurden.
„Bonsoir, Gilbert“, begrüßte Frankreich seinen Gast und zog eine Flasche Wein unter dem Tisch hervor, „Möchtest du auch ein Glas?“
„Spar dir das, Francis“, brummte Preußen grimmig, obwohl er vom Ritt sehr durstig war, „Was soll der Scheiß?“
„Quoi*?“
„Du weißt genau was ich meine! Volksbewaffnung, Requirierung* und vor allem diese... diese Vernichtungsschlachten! Roderich hat mir davon erzählt. Du sollst sogar deinen alten Herren enthauptete haben!* Was soll das?“
„Nun ja, mon ami“, begann Frankreich mit ironischem Unterton, „Das ist die neue Art Krieg zu führen. Politik zu machen. Sehr effektiv, n'est-ce pas*?“
„Aber warum?“
„Weil es hier nicht nur um Land geht, Gilbert. Es geht um die Zukunft“, er stand auf und wandte sich zum Fenster. Bei Tage hätte er von hier aus auf die Straße Richtung Osten gesehen. Den Weg ins Reich.
„Welche Zukunft?“
„Die Zukunft der Nationen! Unsere Zukunft! Jedem Volk seine Nation, seinen Staat! Und ich, euer großer Bruder, werde euch den Weg dahin weisen! Ganz Europa soll die Segnungen der Revolution erfahren!“
„Bist du vollkommen übergeschnappt?“, Preußen sprang von seinem Stuhl auf, „Das kann unmöglich dein Plan sein!“
„Fürchtet sich das große Preußenland plötzlich?“, mit einem Mal wirbelte Frankreich herum. Etwas hatte sich gewaltig geändert. Über seinem Gesicht lag ein Schatten, nur durchdrungen vom grausamen Funkeln seiner Augen. Sein Blick, eine Mischung aus Angriffslust und der sicheren Erwartung des Sieges, schnitt in Preußens Verstand wie ein Bajonett. „Oder hat nur der kleine Gilbert Angst vor der Grande Nation*? Oh Gilbert... glaube mir, nach den Schrecken der letzten Jahre bin ich bereit über jede Leiche zu gehen. Auch über deine!“
Wie vom Blitz getroffen stand Preußen im Raum. Er verstand nur langsam was gerade geschehen war: Frankreich hatte gedroht ihn zu töten. Normalerweise hätte er seinen Säbel gezückt und ihn sofort zum Duell gefordert, in der Zuversicht zu gewinnen. Aber dieses Mal war alles anders. Sein Zustand war angeschlagen. Die meisten Wunden aus Polen waren noch kaum verheilt und bereit jeden Moment erneut aufzuplatzen. Dazu kam die ungewohnte Selbstsicherheit seine Gegenübers. Er musste etwas tun, auch wenn es ihm nicht gefiel.
Langsam, wie in Zeitlupe, ließ er sich auf seinem Stuhl nieder und nahm einen Schluck von dem Wein, den Frankreich ihm eingeschenkt hatte. Sein Blick fiel auf eine Karte auf dem Schreibtisch, in der das linke Rheinufer eingekreist war.
„Lass uns reden, Francis...“, sagte Preußen niedergeschlagen.
„Naturellement*“, Frankreich trat an ihn heran und fasste seine Hand, während er ihm mit der anderen Wein nachschenkte, „Ich will doch nur, dass alles ein gutes Ende nimmt, mon ami*. Lass dich von mir überzeugen.“
Preußen sah in die tiefblauen Augen, die ihn nun wieder mit einem verführerischen Blick ansahen, so wie es immer war...

Derweil in Regensburg...
Es war dunkel in der Kammer, in der das Heilige Römische Reich lag, nur ein kleines Fenster war einen Spalt breit geöffnet. Auf seinem Nachttisch stand ein Glas mit Wasser und Medizin. Schon lange nahm er sie, aber das Fieber wollte nicht sinken. Er dachte zurück...
Früher war alles schöner gewesen. Damals waren es nur er und Österreich, der für ihn sorgte und in dessen Haus sie lebten. Er war streng zu ihm gewesen, aber liebevoll. Er hatte ihm alles beigebracht, was eine heranwachsende Nation brauchen würde. Aber irgendwie war er nie dazu gekommen es anzuwenden. Nie war es ihm gelungen auf eigenen Füßen zu stehen. Immer noch war er auf andere angewiesen. Er konnte nie wirklich erwachsen werden.
Niemand verstand ihn, niemand mochte ihn, so war es ihm lange vorgekommen. Er versuchte doch nur die heiligste aller Aufgaben zu erfüllen und das Andenken an Rom, den Größten der Großen zu bewahren. Alle anderen warfen sich in ihre kleinlichen Bemühungen und gingen ihrer Wege, begegneten ihm allenfalls mit Häme. Doch eine Ausnahme gab es: Italien. Er hatte sie geliebt und liebte sie noch. Seit er damals in den Krieg gezogen war, verging kein Tag, an dem er nicht an sie dachte.
„Dreißig Jahre waren eine lange Zeit...“, dachte der kleine Blondschopf und sah sich weiter im Raum um. Neben seinem Bett standen zwei große Blumenkörbe, die kaum unterschiedlicher hätten sein können. Im ersten war ein Edelweiß stilvoll in Szene gesetzt und mit roten und weißen Bändern verziert. Das zweite bestand aus einem großen Strauß Kornblumen, um die eilig einige schwarze und weiße Streifen gewickelt waren.
„So unterschiedlich...“, keuchte der Kranke und setzte sich auf. Während er sich sein schweißnasses Haar aus dem Gesicht strich, erinnerte er sich an die Zeit, nach diesem langen Krieg. Er war ständig hin und her gerissen gewesen zwischen Preußen und Österreich. Die beiden hatten einander nie besonders gut leiden können, aber es war in letzter Zeit zunehmend schlimmer geworden. Sie ließen nie eine Gelegenheit aus, miteinander zu streiten und er bekam alles mit. An Ruhe war nicht zu denken. Aber beide gehörten zu ihm, sie waren seine Familie. Er konnte sich nicht von ihnen trennen oder sich für den einen oder den anderen entscheiden.
Ein Tschilpen ließ ihn plötzlich aufhorchen. Es war Preußens Vogel, der mit einer Nachricht im Schnabel neben die Medizinflasche gesetzt hatte. Das Heilige Römische Reich nahm sie und kraulte dem kleinen, gelben Küken den Bauch, bis es wieder zum Fenster hüpfte und davonflog. Nach einem Moment, in dem er sich wünschte, er könne auch endlich wieder hinaus in die Welt, überflog er den Brief, der in Preußens Handschrift gekritzelt war:
Hi Kleiner!
Ich bin erst einmal weg, habe noch eine Rechnung mit Feliks offen. Roderich kommt schon mit Francis klar, also mach dir keine Sorgen. Aber tu uns einen Gefallen und werd' wieder gesund.
Kopf hoch und gute Besserung,
Gilbert
P.S.: Das linke Rheinufer gehört jetzt Francis. Pack deinen Krempel, bevor er vorbeischaut und kehr einmal durch. Danke.

Der kleine Junge, der immer zwischen den Stühlen gesessen hatte, erlitt einen schweren Hustenanfall. Er saß fest in immerwährendem Streit und verlor immer mehr seiner Kraft und nun noch eine der wenigen Personen, auf die er sich verlassen hatte. Er sank langsam ins Dunkel der Ohnmacht herab und hörte ein leises Lachen von weit aus seiner Vergangenheit... Italien... Er wusste nicht, was noch kommen würde, aber eines wusste er: Er würde sie stets lieben, so wie es immer war...


______________
* Infos:
Der erste Koalitionskrieg begann 1792 und sollte die Revolution in Frankreich eindämmen. Nach anfänglichen Erfolgen der Truppen der deutschen Staaten und trotz des Beitritts zahlreicher anderer Mächte wie Großbritannien wendete sich das Blatt zugunsten des revolutionäre Frankreichs, das nun zur Offensive überging und die Niederlande besetzte.
Während der Krieg seine Wende nahm, wurde der französische König Ludwig XVI. abgesetzt und 1793 nach einem Prozess wegen Hochverrats geköpft. Noch im selben Jahr begann la Terreur. In dieser Zeit wurde die Herrschaft von einem kleinen Zirkel ausgeübt, der mit brutalen Maßnahmen alle konterrevolutionären Bewegungen unterdrückte. Diese Zeit ist vor allem durch die große Zahl an Hinrichtungen in Erinnerung geblieben.
1795 schlossen Frankreich und Preußen den Frieden von Basel, da Preußen seine Bemühungen in Polen intensivieren wollte, was lohnender schien, als der Kampf gegen Frankreich. Hierbei überließ Preußen seinen linksrheinischen Besitz Frankreich gegen das Versprechen unter bestimmten Umständen rechts des Rheines eine Entschädigung zu erhalten.
Quoi? - Frz.= Was?
Requirierung ist die systematische Beschlagnahmung von zivilen Sachgütern für Heereszwecke und war im 18. Jhd. wegen besserer Logistik unüblich geworden, aber wurde mit der Französischen Revolution wieder in besonderem Maße genutzt.
n'est-ce pas - Frz.= (Bekräftigungsphrase)
Grande Nation - Frz.= Große Nation (eigentlich eine eine dt. Bezeichnung für Frankreich)
naturellement - Frz.= Natürlich
mon ami – Frz.= Mein Freund
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Beitrag von Lollie So Feb 09, 2014 10:59 am

Italiens Schicksal – Der Friede von Campo Formio
Es war eine ungewohnte Kutschfahrt für den jungen Mann. Er hatte lange die malerische Landschaft seiner oberitalienischen Heimat betrachtet, während sie wortlos die Landstraße entlang polterten. Im Glas des Fensters spiegelte sich hin und wieder sein rot-braunes Haar, während er die grünen Hügel mit den kleinen Zypressenhainen betrachtete.
In der Kutsche war die Stimmung getrübt. Bei ihm saßen Österreich, der, obwohl er sich gewaschen und umgezogen hatte, immer noch stark nach Schießpulver roch, und Ungarn, die alle paar Minuten nach seinen Verbänden sah. Seit er sie beide aus ihrem Zuhause in die Kutsche gelotst hatte, hatte er nicht ein Wort mehr gesagt und resigniert geschwiegen. Ungarn war hingegen sehr nervös: Sie lehnte sich immer wieder zu ihm herüber, um nach jedem einzelnen Kratzer und jeder kleinen Beule zu sehen.
„Feliciano?“, fragte Österreich plötzlich ernst und unvermittelt, und riss den jungen Mann aus seinen Tagträumen, „Wir sind auf dem Weg nach Campoformido. Kennst du es noch?“
„Si!*“, lachte Italien.
„Du warst lange bei uns“, sagte Österreich und sah seinen Zögling mit wehmütigem Lächeln über seine Brille hinweg an, „Du bist ein richtiger junger Mann geworden.“
Ungarn traten Tränen in die Augen und Italien meldete sich wieder: „No!* Weine nicht! Es ist doch nichts Schlimmes passiert, oder?“
Die Kutsche hielt vor einem großen Zelt mit rot-weiß-blauen Fahnen. Davor wartete Francis in einer Uniform in denselben Farben. Österreich verließ ohne ein Wort zu sagen die Kutsche und schloss die Türe hinter sich, bevor ihm Ungarn oder Italien folgen konnten.
„Elizabeta? Was passiert hier?“
„Ich kann es dir nicht genau sagen, Feliciano. Aber Roderich geht es im Moment nicht gut. Er hat sich sehr verausgabt. Ich wünschte ich könnte ihm helfen.“

Im Zelt legte Frankreich seinem Gegenüber ein Stück Pergament vor. Er lehnte sich zurück und nippte an seinem Wein, während Österreichs Gesicht beim Durchlesen immer länger wurde. Der wachsende Unmut seines Verhandlungspartners amüsierte ihn.
„Das ist ein Affront!“, protestierte Österreich und schob den Vertrag über den Tisch, „Ich kann dem nicht zustimmen! Er ist doch noch ein Kind! Er braucht mich!“
„Vraiment?*“, Frankreich grinste und zeigte bewusst mehr Zähne als üblich, „Du weißt, dass das nicht wahr ist. Ich habe ihn gesehen, als ihr vorgefahren seid. Feliciano ist ein junger Mann geworden, und er muss sich entfalten können. Wie soll er das in deinen staubigen Mauern? Sieh dir Karl an! Sieh an, was aus ihm geworden ist! Du hast ihn verkümmern lassen, aber Feliciano hat noch Potential!“
„Und bei dir soll es ihm besser gehen?“, Österreich fühlte sich wie ein kleiner Fisch, den ein Hai umkreiste, „Der Terror... die Revolution...die dauernden Kriege...“
„Kein Grund zu stottern, Roderich“, sagte Frankreich beschwichtigend. Er trat hinter ihn und legte ihm die Hände auf die Schultern, „Stell dir vor, in was für einer Welt der Erbe des großen Roms nun aufwachsen kann. Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit! Ein neues Goldenes Zeitalter kann anbrechen, wenn verknöcherte Aristokraten wie du ihm nicht mehr im Weg stehen!“
Frankreich beugte sich weiter vor und fasste mit Gewalt die Handgelenke seines Verhandlungspartners. Österreich begehrte heftig auf und wehrte sich. Er sprang mit einem Ruck auf und fiel dabei mit Frankreich zu Boden. Aber seinem alten Leib fehlte die Kraft sich gegen die energiegeladene Nation durchzusetzen, und er wurde mit zerschlissenen Kleidern von Frankreich wieder an den Tisch gezwungen, der seine Hand eisern umklammert hielt. Ein eiskalter Blick bohrte sich in seinen Hinterkopf. Er spürte den heißen, ungeduldigen Atem des Siegers in seinem Nacken und die Mündung einer Pistole in seinem Rücken. Eine Stimme, die nichts mehr mit dem lieblichen Säuseln von einst zu tun hatte drängte ihn: „Unterschreib!“

Als die beiden wieder vor das Zelt traten, war Österreich ein ungewohnter Anblick. Er hatte einige frische Schrammen auf dem Gesicht und mehrere Risse in seiner Kleidung davongetragen, aber sein Stolz war ungebrochen. Er sah bestimmt mit seinen violetten Augen zur Kutsche, als er sich ohne letzten Gruß davon machte. Noch bevor er die Kutsche erreichte, stürzte Ungarn heraus und wollte auf Frankreich zustürmen.
„Was hast du mit Roderich gemacht?!“, schrie sie unter Tränen, „Ich kratze dir die Augen aus!“
Als sie an Österreich vorbeilief, sah dieser sie an. Eindringlich. Unendlich intensiv. Wissend, irgendetwas wissend. Sie blieb sofort stehen und sah ihn halb verständnislos, halb erwartungsvoll an. Er schüttelte nur sanft den Kopf und legte ihr den Arm um die Schultern, um sie wieder Richtung Kutsche zu lenken. Dort war auch Italien inzwischen ausgestiegen und sah sich unschlüssig um.
„Feliciano“, sagte Österreich ernst, „Es war schön dich so lange bei uns zu haben, aber... aber damit ist jetzt Schluss. Du bist nun ein erwachsener Mann und musst deinen eigenen Weg gehen. Ich weiß, du wirst ihn finden. Ich wünsche dir alles Gute dabei.“
Unter Schluchzen und Umarmungen verabschiedete sich Ungarn von ihrem kleinen Hausgast, der nicht recht verstand, wieso sich die Dinge um ihn so schnell änderten. Ohne ein weiteres Wort gab Österreich ihm zuletzt die Hand und sah ihn an. Diesmal nicht gütig oder väterlich. Nein, dieser Blick zeugte von Anerkennung, von Wertschätzung gegenüber Italien, seinem Vertrauen darauf, dass er auch ohne seinen Mentor zurechtkäme. Etwas, was die kleinere Nation noch nie zuvor von ihm gesehen hatte.
Als die beiden wieder in der Kutsche saßen und fortfuhren, sah Italien ihnen nach, bis sie hinter einer Hügelkuppe verschwanden. Er spürte plötzlich zwei schwere Hände auf seinen schmalen Schultern. Es war Frankreich, der über seinen Kopf in die Ferne blickte.
„Très romantique*“, sagte er in väterlichem Ton, „Aber auch sehr traurig solche Abschiede. Doch denke daran, den Mutigen gehört die Zukunft. Nicht diesen Ewiggestrigen. Das ist der Lauf der Dinge. So wie es schon immer war...“


______________
* Infos:
Nach schweren Niederlagen Österreichs in Norditalien wurde der Friede von Campo Formio unterzeichnet, der den ersten Koalitionskrieg beendete (während der Krieg Frankreichs gegen Großbritannien jedoch auf See weiterging). Hierin wurden neben dem Vordringen der Frankreichs bis an den Rhein, auch die Abtretung des heutigen Belgiens und weiter Teile Italiens bekräftigt, die zu Tochterrepubliken Frankreichs wurden.
Si – Ital. = Ja
No – Ital. = Nein
Vraiment? - Frz. = Wirklich?
Très romantique – Frz. = Sehr romantisch


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Beitrag von Lollie So Feb 09, 2014 11:14 am

Es könnt' ein Anfang sein – Der Reichsdeputationshauptschluss
In einer Kammer in Regensburg...
Noch immer kränkelte das Heilige Römische Reich. Immer wieder kamen Ärzte und Doktoren, um nach dem Jungen zu sehen, doch Besserung schien nicht in Sicht. Sie hielten es nicht für eine gute Idee, aber auf sein unnachgiebiges Bitten hin ließen sie ihm Zeitungen zukommen, sobald sie erschienen. Es war alles, was ihn noch von seiner Krankheit ablenkte. Sie hielten es für grausam, ihm auch dies noch vorzuenthalten. Neben seinem Bett lag ein Stapel mit den Meldungen der letzten Zeit:
Rhein an Frankreich verloren... Niederlande unabhängig unter französischer Führung... Italien unabhängig – Viva Republica Cisalpina!... Britisch-Französischer Krieg in Ägypten... Russland greift ein... Rückkehr Österreichs auf das Schlachtfeld...
Es hatte gut ausgesehen. Der blonde Knabe fuhr mit den Fingern über die Lettern Republica Cisalpina. Endlich wieder ein Lebenszeichen von Italien und ein sehr klangvoller Name für ein junges Fräulein, wie er fand. Seit ihrem Abschied hatte er nichts außer der Erinnerung und seinen Träumen. Er schloss die Augen und fragte sich, wie das Kind von damals inzwischen aussah. Er sah ein hübsches Mädchen langsam an den alten Mauern von Österreichs Garten entlangschreiten. Ihr rotbraunes Haar fiel auf ihre weißen Schultern und rahmte kunstvoll ihr fein geschnittenes Gesicht mit den tiefroten Lippen und den süßen braunen Rehäuglein. Er malte sich aus wie der Wind mit ihrem weißen Kleid und den Bändern in ihrem Haar spielte, während sie am Gartentor wartete, dass er wiederkehrte. Wiederkehrte aus dem Krieg, in den er sich nach ihrem Abschied geworfen hatte, wiederkehrte aus den Wirren, die ihn danach heimgesucht hatten, wiederkehrte aus der inneren Zerrissenheit, die ihn bis heute verfolgte. Sie wartete auf ihn, darauf dass er all dies hinter sich ließ und zu ihr zurückkehrte...
Doch er kehrte nicht zurück. Er hatte nie zu ihr zurück gefunden. Würde er es jemals? Er öffnete wieder die Augen und warf einen Blick auf die folgenden Seiten, die er aus den Zeitungen zusammengeklaubt hatte:
Britische Landung scheitert... Russland verlässt die Allianz!... Einmarsch in Italien... Österreich am Ende - Franzosen vor Salzburg!
„Arthur, Ivan und sogar Roderich“, dachte sich der kleine Junge, „Sie sind alle gescheitert. Keiner von ihnen konnte Francis Einhalt gebieten. Er wird sich alles nehmen was er will...“
Er dachte an Italien, wie sie in die Gewalt Frankreichs geriet. Wie dieser unverschämte und aufdringliche Kerl ihr Avancen machte, sie den ganzen Tag umwarb und sich nach bestem Vermögen wie ein Pfau präsentierte... Einmarsch in Italien...
„Nein“, dachte sich er sich, „Francis hat sie schon, weil niemand sie mehr schützen konnte. Weil ich sie nicht schützen konnte.“
Zwei kleine Tränen nässten das Papier. Die Trauer und der Zorn, die in dem kleinen Körper aufstiegen, verdrängten für den Moment alles andere, sogar die Krankheit. Mit einem Schlag landeten die Zeitungsausschnitte auf dem Boden, als der kleine Blauäugige zu seinem Regal hinüberlief. Er nahm hastig alles an sich, was ihm wertvoll erschien: Eine Spieluhr, die Österreich ihm einst geschenkt hatte, ein Messer, das ihm Preußen nach ihrem ersten Zeltausflug gegeben hatte und das wichtigste und sonderbarste, eine Unterhose*. Diese hatte ihm Italien damals zum Abschied geschenkt.
Sein starker Wunsch erlaubte dem kränkelnden Jungen den Rucksack voller Krempel zu stemmen und hinaus auf den Flur zu wuchten. Mit dem ständigen Keuchen „Befreien, befreien, befreien“ stakste er hinab in die Eingangshalle. Aber auf dem Weg nach unten versagten ihm die müden Beine bereits den Dienst und er fiel unter der Last seiner Andenken. Er landete hart mit dem Kopf auf dem Treppenabsatz und verlor das Bewusstsein.
„Niemand ist da...“, dachte er in den letzten klaren Augenblicken, in denen das Trauma des Aufpralls und das Wiederaufflammen der Krankheit bereits Überhand nahmen, „Ich bin alleine... So wie ich es schon immer war...“

Das Heilige Römische Reich wähnte sich allein. Doch nichts lag ferner von der Wahrheit. Das laute Poltern mit dem er samt seiner Andenkensammlung die Stufen hinabgestürzt war, hatte einige Menschen auf ihn aufmerksam gemacht. Ärzte, Juristen, Gelehrte und Diplomaten, sie alle hatten seinen Sturz mitangehört und strömten jetzt um den leblos daliegenden Leib zusammen und Gemurmel hob an.
„Wie geht es ihm?“ „Was ist passiert?“ „Was sollen wir nun tun?“ „Sollen wir eine Plenarsitzung anberaumen?“ „Sollen wir Österreich und Preußen holen?“ Und unzählige weitere Fragen wurden über ihn hinweg gestellt.
Ein Arzt meinte schließlich: „Er braucht Ruhe. Einfach nur Ruhe. Helft mir.“
Die Leute, die das Heilige Römische Reich gefunden hatten, nahmen sich seiner an. Weitere Leute wurden herbei gerufen, Kutschen kamen an und fuhren ab. Als wieder Ruhe eintrat, sammelten sich alle, wieder zu tun, wozu sie einmal hierhergekommen waren: Probleme zu lösen und dem Reich zu helfen.
In Regensburg, wo seit Jahrhunderten mitangesehen worden war, wie das Heilige Römische Reich schwächer wurde und sich selbst zerriss, kam an diesem Abend eine neue Losung auf. Die Gestalt des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, so wie es schon immer gewesen war, war nicht mehr zeitgemäß. Es war Zeit für etwas Neues, für Veränderungen.

Am nächsten Morgen erwachte irgendwo in Deutschland ein kleiner blauäugiger Blondschopf auf einem Bauernhof. Er sah sich etwas verwirrt um und bemerkte, dass für ihn Kleidung herausgelegt worden war. Es war ein schönes rotes Hemd, schwarze Kniebundhosen und eine Jacke aus gelbem Samt. Er zog sich an und sah sich um. Alles kam ihm absolut unbekannt vor. Wie war er hierher gekommen?
„Bist du wach?“, es klopfte an der Tür.
„Ja“, antwortete der Junge und eine Frau in Arbeitskittel kam herein.
„Wie geht es dir?“, fragte sie ihn und lächelte ihn freundlich an, „Tut dir dein Kopf noch weh?“
„Nein“, er kratzte sich an seinem Kopf, „Aber was ist passiert? Ich erinnere mich an nichts...“
Die Frau schien erst irritiert, aber lächelte dann weiter und erklärte ihm: „Du hattest lange eine schwere, schwere Krankheit. Verstehst du? Da ist es normal, dass du das ein oder andere verdrängst. Deshalb bist du auch hier, um wieder richtig gesund zu werden. Du hast doch sicher Hunger oder?“
„Ja!“, rief der Junge und ließ seine Bedenken vorerst fallen und war für den Moment bloß ein Junge, das eine Schüssel Quark mit Honig löffelte. Auch an den folgenden Tagen war er nichts anderes, als ein heranwachsender Junge:
Von der Krankheit, die seine Patronin erwähnt hatte, merkte er nichts mehr. Morgens stand er auf und half beim Melken, bevor er in die Schule ging. Mittags nach den Aufgaben spielte er mit den Hunden, hütete Vieh oder half dem Hausvater dabei Fässer zu hauen, Möbel zu schreinern oder Werkzeuge zu reparieren bis zum Abend. Es war ein hartes, aber einfaches Leben, doch etwas fehlte ihm, ohne, dass er wusste, was es war. An eines erinnerte er sich aber, auch wenn er es nicht verstand sagte er sich immer wieder: „Ich werde sie befreien.“


______________
* Infos:
Nachdem ich den Titel für dieses Kapitel gewählt hatte, ist mir aufgefallen, dass es ein Lied von Rosenstolz mit dem gleichen Namen gibt. Das Lied passt meiner Meinung nach sogar nicht schlecht zu diesem Teil der Geschichte.
Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803 war der letzte Beschluss, den der Immerwährende Reichstag in Regensburg fasste. Hierbei wurde kirchlichen (mächtige Klöster und Bischöfe) und kleinen weltlichen Reichsständen (Reichsritter) Land abgenommen und es größeren Fürstentümern gegeben. Hierdurch sollten die Fürsten, die Gebiete links des Rheins (ab dieser Zeit französisch!) verloren hatten, entschädigt werden und rechts des Rheins, statt der großen Zahl kleiner und kleinster „Länder“ eine überschaubare Zahl mittelgroßer Länder geschaffen werden. Die stellte eine der radikalsten Veränderungen im Heiligen Römischen Reiches dar, die je stattgefunden hatten.
Da ich mich stärker auf den Manga als auf den Anime beziehe, habe ich mich für die Unterhose als Geschenk entschieden, statt für den Besen.
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Beitrag von Lollie Mo Feb 10, 2014 1:36 pm

Verzweiflung – Der Rheinbund
So viele Kriege innerhalb weniger Jahre zu führen hatte Österreich enorm erschöpft und trotzdem saß er im Sattel. Nicht gemächlich, wie es einem Adligen gebührt hätte, sondern so schnell er konnte, hetzte er das Tier voran. Er wusste, er war bereits zu spät, um etwas zu ändern, aber dennoch beeilte er sich.
Er erreichte Regensburg völlig erschöpft. Nach der Schlacht bei Austerlitz, wo Frankreich ihn und Russland nicht nur besiegt, sondern an den Rand der Vernichtung geführt hatte, hätte er noch lange das Bett hüten müssen. Doch das was nun geschah, war so unerhört, er musste es mit eigenen Augen sehen.
Eine dunkle Gestalt wartete schon auf ihn. Sie trug eine schwarze Husarenuniform und einen Säbel. Die Pistolen waren auch einsatzbereit gemacht, als ob sie erwartete jeden Moment gegen den Feind zu ziehen. Die rot-schimmernden Augen wiesen ihn als Preußen aus.
„Ich habe dich nicht erwartet“, begrüßte Österreich ihn und stieg vom Pferd.
„Ich dich auch nicht wirklich“, gab Preußen zu und setzte sich in Bewegung. Österreich spürte, dass ihm die Streitlust vergangen war. Es gab wesentlich Ernsteres.
„Haben sie schon angefangen?“, fragte der Neuankömmling.
„Ja“, flüsterte der Albino, während sie in den Tagungssaal eintraten und am Rande der Versammlung stehen blieben.
„...letzten Kriege, welche Deutschland beinahe ununterbrochen beunruhigt haben, und die politischen Veränderungen, welche daraus entsprungen sind, haben die traurige Wahrheit in das hellste Licht gesetzt, daß das Band, welches bisher die verschiedenen Glieder des deutschen Staatskörpers mit einander vereinigen sollte, für diesen Zweck nicht mehr hinreiche, oder vielmehr daß es in der That schon aufgelöst sey...“*, verlas der Redner den gespannten Anwesenden.
„Sie tun es wirklich, Gilbert“, Österreich traten Tränen in die Augen, „Sie tun es tatsächlich!“
„Ja, ich sehe es“, sogar das ansonsten so übermütige Preußen konnte sich in diesem Moment der Melancholie nicht mehr erwehren, bis er jemanden sah, den er noch weniger erwartet hatte, als Österreich.
„Da! Das ist Francis!“, raunte er. Als er sah, wie sich eine Gestalt mit blondem Kinnbart und Zweispitz hinaus stahl, zog er Österreich hinter sich her, um ihm zu folgen. Tatsächlich verfolgten sie ihn bis zu dem Krankenzimmer, das sie vor Jahren für das Heilige Römische Reich eingerichtet hatten. Seit Langem hatten seine Ärzte strengste Bettruhe angeordnet und vor kurzer Zeit sogar Quarantäne.
„Stehen geblieben!“, rief Preußen ihm nach und zog seinen Säbel, „Du hast hier nichts verloren! Verschwinde oder ich prügle dich hier eigenhändig hinaus!“
Grinsend drehte sich Frankreich um, einen Dolch in der Hand: „Ach wirklich? Wirst du das? Sieh es ein, Gilbert! Es ist vorbei. Ich erlöse den armen Tropf nur von dem Schicksal, zu dem ihr ihn verdammt habt. Sein Siechtum steht für alles, was ihr falsch gemacht habt. Für alles gegen das sich die Revolution richtet!“
„Und dafür willst du ihn wie ein Vieh zum Schlachtblock führen?“, fragte Österreich, der vom Nachlaufen bereits außer Puste war, „Das würdest du tun?“
„Naturellement!* Es ist nur logisch. Das Alte muss weichen, damit das Neue Platz hat. Ihr habt euch damals dagegen gesperrt, deswegen ist er heute das, was er ist: ein kranker Kümmerling!“
„Lass den Kleinen in Ruhe!“, fauchte Preußen und versuchte ihn zu umrunden und zwischen ihn und die Tür zu gelangen, „Krümm ihm nur ein Haar und ich schwöre dir, ich brech dir jeden Knochen einzeln!“
„Ach Gilbert... So leidenschaftlich, so stark...“, mit einem gezielten Tritt in den Schritt zwang er den Albino auf die Knie und trat an ihm vorbei, „...und so unvorsichtig!“
Zu schnell, als dass die beiden anderen ihre Fassung wiedererlangen konnten, schob sich Frankreich durch die Tür ins Krankenquartier und verschloss sie hinter sich.
Weder Preußen noch Österreich konnten ihre Tränen noch zurückhalten. Sie hatten sich beim Verlassen des Tagungshauses gegenseitig stützen müssen. Österreich hielt sich an Preußens schwarzer Uniform fest und dieser am weißen Gehrock des anderen. Sie sahen von der alten Stadtmauer hinab, als Glocken erschollen und ein kleiner Sarg im Gefolge der hinausströmenden Gesandten mitgeführt wurde. Sie saßen geschlagen da. Österreich in einem Krieg, aus dem er erst nach Hause gekehrt war, Preußen in einem Krieg, zu dem er noch ausziehen sollte.* Zwei Seelen, die ansonsten nie einer Meinung sein konnten, fühlten dasselbe. In tiefer Trauer einander so nahe wie nie zuvor und nie danach, sprachen sie gleichzeitig aus, was geschehen war: „Das Heilige Römische Reich ist nicht mehr...“

Das Zimmer des Heiligen Römischen Reiches, Frankreich war am Ziel seiner Träume. Ein Konkurrent von Kindesbeinen an und ein immer größeres Ärgernis lag wehrlos vor ihm. Er musst nur zu seinem Bett gehen, den Vorhang zur Seite ziehen und... Er zögerte. Seine Knöchel um den Griff des Dolches drückten sich weiß durch und er spürte kalten Schweiß auf seiner Stirn. Seine Gedanken wirbelten:
„Es ist dein kleiner Bruder. Denk daran was ihr alles durchgemacht habt. Denk daran, was euch verbindet! Das Fränkische Reich! Charlemagne!* Nein, du kannst ihn nicht umbringen... Nein...“
„Monsieur?“, fragte ihn ein kleiner Mann neben ihm wohl zum wiederholten Mal, doch nahm er ihn erst jetzt wahr, „Was wollen Sie?“
Der Mann war augenscheinlich ein Arzt, der den Jungen betreute. Er war schon alt und faltig, hatte aber wache Augen, aus denen er ihn forschend ansah. Frankreich überlegte, wie er die geänderte Situation zu seinem Vorteil nutzen konnte.
„Docteur“, begann er schmeichelhaft und schenkte ihm ein gewinnendes Lächeln, „Ihr Patient, ihm geht es so schlecht und Besserung ist keine in Sicht. Sehen Sie, sein Leiden wird hier nur unnötig verlängert. Man kann ihn kaum noch atmen hören.“
„Ich weiß nicht genau worauf Sie hinaus wollen...“, der alte Mann sah betreten zu Boden.
„Nehmen Sie ein Mittel“, wurde sein Gesprächspartner deutlicher, „Eines, das ihn friedlich einschlafen lässt. Er soll ein würdiges und schmerzfreies Ende finden. Meinen Sie nicht auch?“
Mit einem Seitenblick auf den Dolch, den Frankreich noch immer bei sich trug, nickte der Greis willfährig. Er ging zu seiner Tasche und nahm eine Phiole heraus. Flink schlich er zum Himmelbett hinüber. Frankreich wandte seinen Blick ab und bedeckte aus Grauen vor den Geräuschen seine Ohren, doch es blieb totenstill im Raum.
„Es ist vollbracht“, meldetet der Arzt ihm, „Wollen... wollen sie ihn sehen?“
„In einem Moment...“, nickte Frankreich zagend. Nach einigen Augenblicken trat er an das Bett heran und sah im fahlen Kerzenlicht ein Leinenbündel, in dem wohl ein kleiner Leichnam lag. Das war genug. Er verließ den Ort schnell wieder. Er fragte sich, ob er zu weit gegangen war, aber nun gab es kein Zurück mehr. Er hielt nun die Fäden in der Hand, er durfte sie nur nicht fallen lassen. Er war die höchste Autorität. Nun konnte sich nicht einmal der selbsternannte Hüter des imperialen Erbe Roms mehr vordrängen. Er herrschte nun über die Welt, er musste sie nur noch erobern. Und das hatte er vor...

Die Sonne neigte sich bereits zum Abend. Einige Bauern luden Heu auf die Wagen und machten sich auf den Weg zu ihren Höfen. Es war ein Spätsommertag wie jeder andere. Anderswo wurden Kriege geführt, aber in diesem Dorf war die Welt noch in Ordnung. Seit dem Schluss des Rheinbundes hatten sich die Dinge kaum geändert und jeder ging seinem Leben nach.
Nach der Heumahd kehrte ein junger, blauäugiger Mann bei seiner Gastfamilie ein. Er trug eine schwere Kiste mit Feuerholz in die Küche, wo die Hausherrin noch am Ofen stand und das Abendessen zubereitete. Ihr Mann saß am Tisch und las einen Brief.
„Ah gut dass du da bist!“, sagte er, als er seinen Ziehsohn eintreten sah, und nahm seine Brille ab, „Wie geht es dir?“
„Gut“, antwortete er einsilbig.
„Das ist schön“, kurz zögerte er, „Ich habe einen Brief von einem guten Freund bekommen. Wir haben uns bei seinem letzten Besuch über dich unterhalten. Vielleicht erinnerst du dich noch.“
Sein Hausgast erinnerte sich tatsächlich. Es war vor einem guten Jahr gewesen. Damals hatte er gerade die Schule abgeschlossen. Er war stets ein guter Schüler gewesen: Er war pünktlich, strebsam und redete nur, wenn er gefragt wurde. Trotzdem war er froh nicht mehr dorthin zu müssen. Stieß er aus Versehen ein Tintenfass um oder wurde ein Zettel, den ihm ein Mitschüler weiterreichte, bei ihm gefunden, setzte es Schläge mit dem Stock. Auch sein Ziehvater und der Büchsenmacher, bei dem er sich in der Lehre befand, scheuten die Prügelstrafe nicht: Ob wegen zerbrochener Eier, verschütteter Milch oder schlecht erledigter Arbeiten, immer zückten auch sie den Stock. Über die Jahre war es zur Gewohnheit geworden und er genoss die Momente, in denen der Schmerz nachließ.
Auch während des Besuchs seines Freundes hatte sein Ziehvater ihn nicht geschont. Die beiden hatten in der Wohnstube gesessen und geraucht. Ihn hatten die beiden in den Keller geschickt, um Bier zu holen. Auf dem Rückweg hatte sich der junge Mann aus der Kanne bedient. Als er wieder hinaufkam und den Krug auf den Tisch stellte, roch der Hausherr das Bier in seinem Atem. Eine solche Tracht Prügel hatte er bis dahin nicht erlebt.
„Ja“, sagte er und rieb sich gedankenverloren den Hosenboden, „Ich erinnere mich.“
„Nun... er hat mir einen Vorschlag gemacht. Er möchte dich gerne zu sich in die Stadt holen. Das würde dir ganz neue Möglichkeiten bieten... Du könntest dort deine Lehre fortsetzen, oder eine andere aufnehmen. Du könntest auch studieren. Das heißt wenn du willst.“
Sein Zögling war sich unschlüssig und legte die Stirn in Falten. Der Gedanke an den Abschied von seiner Familie gefiel ihm nicht, aber schon seit Monaten quälte ihn das Fernweh. Er wollte kaum sein ganzes Leben auf dem Land verbringen und in einem kleinen Dorf versauern, also nickte er zustimmend.
„Das dachte ich mir“, mit einer Mischung aus Bedauern und Freude sah sein Patron ihn an und lächelte, „Lass uns das feiern! Bald beginnt ein ganz neues Leben für dich.“
Nach dem Essen zogen die beiden Männer ihre guten Kleider an und gingen in das kleine Wirtshaus des Dorfes. Nur zu großen Anlässen führte der Gastvater ihn hierhin aus. Beim Bier erzählte er ihm, welche großen Chancen ihm in der Stadt offenstehen würden. Sein blonder Schützling hörte nur halbherzig zu. Er fand das Gespräch am Nebentisch wesentlich interessanter. Es ging um die Franzosen, den Rheinbund, die Einberufungen, die Kriege, die anderswo geführt wurden; kurzum, es ging um Politik.
„In einem hat er Recht“, dachte sich der junge Mann, und sah seinen Gesprächspartner an, „Es stehen große Ereignisse bevor.“

Preußen saß hoch auf im Sattel, die Tränen Österreichs auf seinem Uniformrock waren längst getrocknet, nun schimmerte Blut darüber. Er ritt über die schneebedeckten Wiesen bei einem Ort namens Eylau. Russland war ihm keine große Hilfe und Frankreich war unerwartet stark. Er hatte sich die Unterstützung Polens* gesichert und die beiden hatten ihn bereits soweit gejagt und würden ihm weiter nachsetzen. Er war binnen weniger Monate vom Kämpfer zum Gejagten geworden. Ein Schuss krachte und Preußen fiel hinab auf den morastigen Boden.
„Celny strzał!“*, hörte er den Jubel Polens. Er konnte im Nebel des kalten Morgens nicht viel sehen, doch hörte er, wie Pferde stoppten. Jemand sprang herab. Schnee knirschte. Schwere Schritte kamen näher. Er wusste in wessen Gesicht er sehen würde, wenn er aufsah. Ohne aufzublicken sah er den gesträubten Kinnbart, das zerzauste Haar und die mit Schlamm und Blut bespritzte Uniform vor seinem inneren Auge.
„Bonjour, Gilbert!“, höhnte eine Stimme so kalt wie die Morgenluft über ihm, „Es war ein langer Ritt, aber schließlich kriege ich dich doch.“
„Hallo Francis“, langsam stand er auf und hielt sich die blutende Einschussstelle an der Schulter, „Hast dich etwas gehen lassen, nicht?“
Das gespielte Lächeln Frankreichs erstarb, als er die Anspielung auf sein inzwischen ungepflegtes Äußeres hörte. Er griff nach Preußens Säbel, zog ihn aus der Scheide und warf ihn ihm vor die Füße.
„Kapituliere“ forderte er ihn streng auf, „Knie vor deinem Herren!“
„Niemals“, der Albino lachte und spuckte dabei Blut, „Im Leben nicht! Eher sterbe ich!“
Seinem Gelächter wurde durch einen brutalen Tritt in die Seite ein Ende gemacht. Während er stöhnend im Matsch lag, beugte sich der Blonde zu ihm und zog ihn an den Haaren hoch, sodass er ihm in die Augen sehen musste. Die blauen Pupillen strahlten Verrücktheit und Kälte aus wie ein Feuer es mit Hitze und Licht tut, doch die roten des Albino spiegelten nur Trotz und Unnachgiebigkeit.
„Du verstehst nicht, ich habe es nicht nötig dich zu töten!“, zischte Frankreich, mit einer Stimme, in der man seine Hybris fast greifen konnte, „Die Mächte der Welt hören auf mein Kommando! Genau wie Feliks hier! Ich halte diese Welt! Ich bin mehr als jeder vor mir je war! Und du, du bist nur ein kleiner Käfer! Vor dir habe ich Roderich gebrochen und als nächstes ist Ivan an der Reihe! Ordne dich unter! Europas Völker gehören mir!“ Mit diesen Worten drückte er Preußens Gesicht in den kalten, blutgetränkten Schneematsch.
Über das Rauschen seines eigenen Herzschlages hinweg hörte der Geschlagene Frankreich und Polen weggaloppieren. Er dachte noch einmal an seine Abschiedsworte: „Europas Völker gehören dir? Dann müssen wir sie befreien!“


______________
* Infos:
Mit der Erklärung, aus der hier zitiert wird, sagten sich 1806 einige Fürsten vom Heiligen Römischen Reich los, um dem Rheinbund (einer profranzösischen Allianz deutscher Fürsten) beizutreten. Gleichzeitig wurde von Napoleon ein Ultimatum an den damaligen Kaiser Franz II. gestellt, der daraufhin einige Tage später die Kaiserkrone niederlegte und das Reich de facto auflöste.
naturellement - Frz.= Natürlich
1805 war Österreich im Dritten Koalitionskrieg von Frankreich bereits vernichtend geschlagen worden und musste den Kampf gegen Frankreich einstellen. Preußen trat der Vierten Koalition im Sommer 1806 bei und begann zusammen mit Russland und England wenige Wochen nach der Bildung des Rheinbundes den Vierten Koalitionskrieg. Dieser nahm für Preußen einen katastrophalen Ausgang.
Charlemagne = frz. Bezeichnung für Karl den Großen
1806 erhoben sich polnische Nationalisten gegen Preußen, das große Teile Polens zu seinem Staatsgebiet zählte. Diese sicherten sich die Unterstützung Frankreichs und kämpften mit den französischen Truppen gegen Russland und Preußen. Nach der Niederlage Preußens und Russlands 1807 wurde ein polnischer Staat gegründet, der bis er 1815 Russland zugeschlagen wurde Bestand hatte.
Celny strzał! – poln. = Treffer!
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Beitrag von Lollie Mo Feb 10, 2014 2:02 pm

Aufatmen – Beginn der Befreiungskriege
Es war kalt... eiskalt. Der Wind pfiff über der Einöde ein grausames Lied von Dunkelheit und beißendem Schmerz nur begleitet von den Rufen der Krähen. Durch die dichte Wolkendecke fiel nur ein knochenweißer Schimmer des Mondlichtes, gerade genug, dass man die dicken Schneeflocken im Sturm tanzen sah.
Mit zitternder Hand wischte Frankreich eine dicke Schicht der weißen Masse von seinem Hut, während er sich weiter vorwärts schleppte. Bei jedem Schritt machten seine Stiefel ein schmatzendes Geräusch, wenn er sie mühsam aus dem Schneematsch zog. Er fror erbärmlich. Seine Kleidung war durchnässt von Blut, Schmelzwasser und seinem eigenen Schweiß.
Weit und breit gab es nur Schnee, einzelne kahle Bäume und marschierende Soldaten. Er sah den Soldaten neben sich an. Unter seinen Augen lagen große Tränensäcke und auf seinen hohlen Wangen prangten zahlreiche Brandmale. Er war vielleicht zwanzig Jahre alt, aber trotzdem wirkte er wie ein alter kranker Mann.
Seit Moskau hatte er keine Häuser mehr gesehen. Ja, Moskau... Nie hätte er gedacht, dass Russland so kaltblütig sein könnte. Das Herz seines Landes, seine Hauptstadt, sie war ihm nichts wert gewesen, er hatte sie selbst in Brand gesetzt, nur damit sie ihm nicht in die Hände fiel. Ein Anblick, der sich ihm noch viele Male bieten sollte, auf dem Weg zurück nach Westen.
Über das Pfeifen des Windes hinweg war das Donnern von Hufen zu hören. Frankreich wusste, dass es nicht seine Reiterei war. Ihre letzten Pferde waren längst von den Soldaten geschlachtet worden, damit sie etwas zu Essen hatten. Das Dröhnen wurde lauter und aus der Dunkelheit des Schneetreibens brachen Kavalleristen hervor auf der Jagd nach den Franzosen. Sofort setzten sie ihrer Beute nach, die vergeblich ihr Heil in der Flucht suchte.
Frankreich warf sich zur Seite, als einer der berittenen Krieger fast über ihn hinweg ritt. Er spürte wie es vor seiner Brust warm wurde. Blut sickerte aus einer schmalen Schnittwunde, während der Reiter einen russischen Fluch ausstieß und sein Pferd wendete, einen Rabenschnabel* in die Höhe gereckt. Frankreich richtete seine Muskete auf ihn. Er drückte ab, aber das nasse Pulver zündete nicht, also musste er sich auf sein Bajonett verlassen. Er stürzte sich nach vorne auf seinen Feind zu, aber dieser schlug ihm die Waffe mit einem kalten Lachen aus den Händen.
„So weit weg von zu Hause, да*?“, höhnte der große Mann aus dem Sattel herab, „Hat Francis Angst alleine?“
„Ich habe keine Angst, Ivan!“, rief Frankreich, der erkannte, wer ihm gegenüberstand, „Das ist nur ein kleiner Rückschlag für die Grande Armée!“
Russland begann zu lachen, während er sein Pferd langsam auf ihn zu schreiten ließ. Er glaubte ihm nicht. Auch Frankreich war sich nicht sicher, wie viel Vertrauen er noch in seine Armee haben konnte. Er wusste nicht einmal, ob er sich selbst noch vertraute. Zum ersten Mal seit Jahren zweifelte er an sich.
„Du hast keine große Armee“, gluckste der Reiter und hievte sich aus dem Sattel. Auch abgesessen überragte er seinen Gegenüber noch deutlich.
„Doch...“, seine Stimme brach und er musste erneut ansetzen, „Die habe ich!“
„Посмотрей!*“, lächelnd kam Russland auf ihn zu und legte ihm den Arm über die Schultern, „Schau dich um. Was siehst du? Eine Armee? Nein...“
Frankreich sah in die Dunkelheit hinein. Hier und da lagen Tote, nicht in blau-weißen Uniformen, sondern eingehüllt in Lumpen, zum Schutz gegen die Kälte. Der Schnee begann bereits sie zuzudecken und bald würden sie nur kleine Hügel in einer Eiswüste sein.
„Und jetzt“, sagte Russland und bleckte die Zähne, „Бежай!*“
Er stieß Frankreich von sich und saß wieder auf. Was war eine Jagd ohne Beute? Er war bereit ihn weiter zu hetzen. Er wollte ihn nicht fangen, er wollte ihn leiden sehen. Die Grande Nation, die ihn gezwungen hatte, sich das eigene Herz auszubrennen, sollte nicht so einfach davonkommen.

Im fahlen Schein von Öllampen standen sich zwei Männer gegenüber. Mit gezogenen Degen, schwer atmend, leicht verschwitzt. Innerhalb eines Augenblickes brachen beide erneut in Bewegung aus und schlugen die Klingen gegeneinander. Der kleinere, schwarzhaarige nutzte eine Blöße seines Gegenübers: Er schlug an dessen Deckung vorbei und ritzte eine kleine Wunde in die Wange seines Kontrahenten. Dieser schlug seinem Gegner mit einem wuchtigen Schlag seine Waffe aus der Hand, richtete seine Schneide direkt auf die Kehle des Entwaffneten... und stoppte.
Der große Blonde ließ die Waffe sinken, reichte dem unterlegenen seine Hand und beide fielen sich in die Arme, als rundherum Jubel ausbrach und die beiden Fechter beglückwünscht wurden. Die Corps-Studenten* hatten den Kampf ihres neuesten Mitglieds gespannt verfolgt. Nun legten die beiden die Klingen weg, ließen sich nebeneinander an einem Tisch nieder und schenkten sich Bier ein.
„Du bist gut geworden“, lachte der Schwarzhaarige, „Ich dachte wirklich, du hättest deine Deckung fallen gelassen. Nur einen Tick zu langsam warst du, sonst wär' dir der Schnitt erspart geblieben.“
„Das ist nichts“, meinte der Blonde mürrisch und wischte etwas Blut von der Wange, „Das verheilt wieder.“
„Habt ihr das schon gelesen?“, schaltete sich ein Dritter ein, der es sich mit einer Zeitung am Tisch gemütlich gemacht hatte. Er zeigte auf die Titelnachricht: Skandal nach Mord an französischem Offizier! Deutscher Bürger von Franzosen hingerichtet!
„Unfassbar!“, ereiferte sich einer der Studenten, „Wie kann so etwas auf deutschem Boden geschehen?“
„Deutscher Boden?“, höhnte ein anderer, „Das gehört doch inzwischen alles den Franzosen.“
„Nein“, warf der Erste ihm entgegen, „Das Heilige Römische Reich mag zusammengebrochen sein, aber die Deutsche Nation lebt! Und sie muss sich wehren!“
„Hier am Biertisch wird das nichts“, sagte der große Blonde missmutig.
„Genau!“, polterte der Mann, gegen den er eben gefochten hatte, „Es muss etwas getan werden! Wir müssen etwas tun!“
„Und was?“, wurde eingeworfen und plötzlich trat betretenes Schweigen ein, während die Frage weiter im Raum stand...

Am nächsten Tag saßen die Studenten der Stadt im trüben Dunkel eines Hörsaals. Mit monotoner Stimme wurden die Kommentare zur Politeia des Aristoteles vorgelesen. Aber niemand hörte zu. Viel interessanter war ein Zettel, der umging und hier und da Gemurmel auslöste. Als er bei den Corps-Studenten angelangte war die Aufregung groß.
„Das ist es“, flüsterte der Schwarzhaarige, und wedelte mit dem Flugblatt, „So können wir etwas tun.“
„Preußen macht wieder gegen Frankreich mobil“, stellte der Blonde fest und strich über seine noch frische Gesichtswunde, „Wieso jetzt?“
„Die Russen haben die Grande Armée besiegt“, antwortete sein anderer Sitznachbar, „Und jetzt ist der Zeitpunkt gekommen. Wir werden die Fesseln von Paris abschütteln.“
„Wieso wir?“, fragte er und ließ von seinem Gesicht ab.
„Lies es doch“, schaltete sich der Schwarzhaarige wieder ein, „Sie heben eine ganz neue Armee aus. Es werden Freikorps gebildet. Freiwillige sollen für die Freiheit kämpfen. Wir werden dafür kämpfen. Nicht nur für die Freiheit Preußens, sondern für die ganze Deutsche Nation! Wir müssen es befreien unser geliebtes Vaterland!“
„Ruhe bitte!“, schallte es vom Professor am Pult und schlagartig verstummten die Studenten wieder.


______________
* Infos:
Die Befreiungskriege stellten eine Reihe von Feldzügen dar, die nach dem katastrophalen Russlandfeldzug Napoleons 1812 geführt wurden.
Der Rabenschnabel ist eine Waffe, die bei osteuropäischer Reiterei besonders beliebt war und ganz grob die Form von Russlands Wasserhahn hat: http://www.fuldigors-hoehle.de/images/lhf/gelb/rabenschnabel00_HQ.jpg
да [sprich: da] – russ. = ja
Посмотрей! [sprich: posmotrjej] - russ. = Schau!
Бежай! [sprich: bjeschaj] - russ. = Lauf!
Corps waren Studentenverbindungen. Corps und später Burschenschaften waren stark nationalistisch gesinnte Vereinigungen, in deren Reihen sich ein großer Anteil von Kriegsfreiwilligen fand.
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Beitrag von Lollie Mi Feb 12, 2014 10:30 am

Nomen est omen – Die Völkerschlacht bei Leipzig
Die letzten Strahlen der abendlichen Sommersonne schienen heiß auf die ruhende Truppe herab. Die letzten Monate waren hart gewesen, aber Preußen lächelte milde, als er zwischen den Zelten des Lagers umher ging. Seine Leute hatten sich gut geschlagen und er war froh darüber. Sie hatten die Franzosen allerdings noch nicht geschlagen, aber Zeit gewonnen. Zeit, die es nun zu nutzen galt.
In seinem Zelt wartete bereits Besuch. Ein seltener Gast, den er trotzdem gerne empfing. In roter Uniform saß er da und hielt eine noch dampfende Tasse in der Hand.
„Hallo Arthur“, begrüßte Preußen seinen Besucher mit einem erfreuten Lächeln.
„Ah, Mr. Beilschmidt. Ich bin sehr froh Sie wieder in unserem kleinen Krieg gegen diesen bloody idiot* Francis zu begrüßen“, begann Großbritannien mit sarkastischem Unterton und stellte seinen Tee beiseite, „Aber back to business*! Wir werden ihn nicht alleine besiegen können. Wir werden Hilfe brauchen. By the way*, Ihr Tee ist grauenhaft.“
„Hilfe, да*?“, die Stimme vom Zelteingang ließ Großbritannien und Preußen einen Schauer über den Rücken laufen. Russland war eingetreten. Trotz der Hitze trug er noch einen schweren Mantel und seinen langen Schal. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht eins von beidem vor ihrem Treffen zu säubern. Die braunen Flecken konnten Matsch sein, aber ebenso gut getrocknetes Blut. Preußen zog es vor es als Schlamm zu betrachten.
„Preußen hat viele kleine Freunde, да?“, fragte Russland mit einem kindlichen Lächeln, „Wenn wir sie fragen, dann können wir Francis ganz einfach besiegen. Und danach kommen alle mit in mein Haus, да?“
„Ähm...“, Preußen räusperte sich nervös, „Wir drei... also das könnte reichen, um...“
„Wir sind zu fünft“, eine weitere Stimme vom Eingang meldete sich. Die adrette Gestalt Österreichs war eingetreten und hinter ihm richtete sich Schweden, der sich im Zelteingang hatte ducken müssen, wieder zu voller Größe auf.
„Schön euch zu sehen“, Preußen war mit einem Mal erleichtert.
„Das glaube ich dir nicht Gilbert“, sagte Österreich, während er an Russland vorbei ging und in die Mitte des Zeltes trat, „Aber wir können nur gemeinsam gegen Francis bestehen und ihn wieder zur Vernunft bringen. Nur so können wir Europa wieder den Frieden bringen.“
„Wahre Worte, Mr. Edelstein. Auf See ist er bereits geschlagen“, lächelnd legte Großbritannien die Hand auf den Knauf seines Entermessers, „Aber das ist nur die halbe Miete. Zu Land müssen wir ihn auch noch besiegen. Ich kümmere mich im Westen um ihn. Übernehmen Sie den Osten, okay?“
„Freilich“, sagte Österreich und nickte, „Wir werden gemeinsam zuschlagen und -“
„Gerne Roderich“, unterbrach Preußen ihn, fixierte Schweden und seine Augen verengten sich zu Schlitzen, „Aber an unsern Lulatsch hier habe ich noch eine Frage. Was machst du hier?“
„Pommern*“, sagte Schweden knapp und ging hinaus.
„Was sollte das, Gilbert?“, fragte Österreich sauer.
„Ach“, winkte Preußen ab, „Der wird kommen. Dem geht Francis genauso gegen den Strich wie uns.“
„Und wenn wir gewonnen haben, dann feiern wir alle bei mir zu Hause, да?“, fragte Russland erneut.
„Wir werden sehen“, sagte Österreich und betrachtete ihn abschätzig über seine Brille hinweg, „Zunächst müssen wir unsere Freunde aus Francis Knechtschaft befreien. Feliciano, Lovino, Antonio, Laura, Tim, Feliks und Basch.“

Sie hatten es tatsächlich gewagt. Sie waren zu den Preußen gegangen, der Armee beigetreten. Seit dem Frühjahr standen sie nun unter Waffen. In schwarz-rot-goldenen Uniformen dienten die Studenten nun als Freiwillige. Es waren harte Monate gewesen. Viele von ihnen waren bereits im Gefecht gestorben oder als Invalide nach Hause zurückgekehrt. Zwei von ihnen waren aber noch übrig.
„Erinnerst du dich noch an unseren Kampf?“, fragte ein schwarzhaariger Soldat den Blonden, der neben ihm marschierte.
„Du meinst, als wir gefochten haben?“, er nickte.
„Das ist lange her...“
„Nicht einmal ein Jahr.“
„Nein, das meine ich nicht“, er lächelte schief, „Es kommt mir einfach so weit weg vor. Meinst du wir werden wieder zurückkommen und miteinander fechten?“
Der große Blonde neben ihm zuckte mit den Schultern. Sie hatten viele Schlachten geschlagen, doch noch keine wie diese. Sie formierten sich gerade, und trotzdem war nicht abzusehen, wie viele Regimenter in diesem Kampf gegeneinander antreten würden. Es mussten hunderttausende Soldaten sein, die aus ganz Europa zusammengekommen waren, um hier vor Leipzig zu kämpfen. Tausendfach würden sie töten und sterben. Welche Chancen konnte sich hier der Einzelne ausmalen?
Sie erreichten ihre Position und machten sich bereit. Beim Laden der Musketen ließen sie ihre Blicke über die Reihen schweifen.
„Preußen, Österreicher, Russen“, zählte der schwarzhaarige die Banner ab, die sich auf ihrer Seite befanden, „Wo sind die Schweden?“
„Ich weiß es nicht“, der Blonde sah die feindlichen Reihen und versuchte deren Zeichen zu erkennen, „Franzosen, klar... einige Polen und Rheinländer... und da vorne... sind das Italiener?“
Tatsächlich, eine Abteilung Italiener hatte sich auf Seiten der Gegner zur Unterstützung der Franzosen formiert. In der Brust des blonden Mannes klopfte sein Herz mit aller Macht gegen seine Rippen. War das die Angst vor der Schlacht, die er sonst nie so stark verspürt hatte?
„Ja, das sind ihre Farben“, bestätigte sein Freund seine Vermutung, „Die gehören zum Königreich Neapel und die zu Italien. Keine Sorge, die kippen recht schnell unter konzentriertem Feuer.“
Als wäre dies das Stichwort gewesen, begannen in diesem Moment die Kanonen zu feuern. Nach einigen Salven kam der Befehl zum Vorrücken. Bis auf kürzeste Distanz rückten sie an ihre Gegner heran. Als sie bereits das Weiße in ihren Augen sahen feuerten sie. Das Blei entfaltete in den Reihen der Italiener seine vernichtende Wirkung und die Freikorps gingen unter lautem Rufen zum Sturm über.
Im verbissenen Kampf Mann gegen Mann bewiesen die beiden Freiwilligen ihr Können. Sie hatten oft Seite an Seite gestritten und agierten als eingespieltes Team. In der Hitze des Gefechts sah der Blonde hinter den Reihen zwei Offiziere zu Pferde fliehen. Beide hatten rotbraunes Haar und einer war ihm merkwürdig vertraut... In diesem kurzen Moment der Unachtsamkeit stach ein Italiener nach ihm. Sein Freund reagierte schnell und ging dazwischen. Wie bei ihrem Fechtduell im Frühjahr war er schnell gewesen, aber nicht vorausschauend genug, um den nächsten Schlag zu erahnen. Ein Bajonett bohrte sich direkt durch seine Brust, vor den blauen Augen seines Freundes.
Noch bevor der schwarzhaarige Soldat tot auf dem Boden aufschlug, erfasste ein kalter Zorn seinen Freund aus Studententagen. Unter einem unmenschlichen Schrei warf er sich nach vorne. Er stach mit dem Bajonett, schlug mit dem Gewehrkolben und trat zu, so fest er konnte. Die Stiche und Hiebe, die ihn trafen, waren ihm gleichgültig.
„Ich bin allein!“, sagte er sich selbst, „Alleine. In einer Welt voller Feinde!“

„Wir reiten los!“, schrie Preußen, der den Angriff auf die italienischen Truppen aus einiger Entfernung vom Pferderücken aus verfolgte. Er zog seinen Säbel und trieb sein Pferd zum Galopp an.
Dem Ansturm des Freikorps hätten die Linien der Italiener vielleicht noch standhalten können, aber das Eingreifen der preußischen Husaren war zu viel. Ihre Reihen lösten sich auf und zerstreuten sich. Die Reiter setzten den Flüchtenden ohne zu zögern nach. Ein Soldat nahm sogar zu Fuß die Verfolgung auf, bis er vor Erschöpfung fast zusammenbrach.
„Soldat!“, sprach ein rotäugiger Reiter ihn an, „Die Flanke ist eingeknickt. Ihr habt eure Aufgabe erfüllt. Den Rest übernehmen meine Leute. Gute Arbeit!“
Mürrisch sah ihn der Angesprochene aus stahlblauen Augen an. Preußen erkannte, was er ihm mit diesem Blick sagen wollte: Seinen Dank konnte er sich sparen; er kämpfte hier nicht für ihn, und wenn er das anders sah, solle er absteigen und es mit ihm von Mann zu Mann klären. So eine Haltung weckte allerdings das Interesse Preußens mehr, als eine Schlacht, deren Ausgang gerade entschieden worden war. Ihre Einheiten waren bereits weitergezogen und bereiteten sich darauf vor sich mit den Franzosen zu messen. Wenn die anderen Heere nur annähernd so erfolgreich waren, würden sie ihre Gegner bald eingekreist haben.
Preußen glitt aus dem Sattel und ging auf den Soldat zu. Als ihre Blicke sich trafen, und die blauen und roten Augen einander ohne zu blinzeln fixierten, erkannte er, dass dieser Soldat ihm nicht gegenüber stand wie ein Soldat einem Offizier, geschweige denn wie er Preußen selbst hätte gegenüber stehen sollen. Nein, er sah ihm geradewegs in die Augen, stolz und unnachgiebig. Als stünden sie beide auf einer Stufe. Mit jedem Schritt den er auf ihn zukam, wuchs in beiden die Anspannung und sie fassten ihre Waffen unwillkürlich fester, bereit aufeinander loszugehen.
„Du siehst durstig aus“, Preußen kicherte und zog seine Feldflasche, um die Stimmung aufzulockern, „Nimm einen Schluck.“
Misstrauisch schraubte der Soldat die Kappe ab und nahm einen Zug. Bier. Natürlich Bier.
„Hey, nicht alles für dich!“, Preußen war inzwischen nah genug, um ihm die Flasche wieder abzunehmen und trank nun selbst daraus, „Was macht denn so ein sonderbarer Kerl wie du bei den Freikorps?“
„Ich kämpfe“, antwortete der Blonde einsilbig.
„Ja, und das gut. Ich hab dich von dort hinten gesehen, 'ne ganz große Show. Aber wofür?“
„Für die Deutsche Nation!“, er sah traurig über seine Schulter. Irgendwo zwischen den Gefallenen musste sein Freund liegen. Wie so viele, die aus dem gleichen Grund in den Kampf gezogen waren.
„Aha“, Preußen zog eine seiner weißen Augenbrauen hoch, „Aber wieso?“
Wieso? Diese Frage hatte er sich bisher nicht gestellt. Er hatte es einfach getan, weil er es wollte. Aus keinem anderen Grund, als dass es sein Wille gewesen war.
„Ich tue das für mich!“, antwortete er und drehte sich um, um zu gehen, „Ich will das befreien, was ich liebe!“
„Warte!“, rief Preußen ihm nach, „Wie heißt du?“
„Nenn' mich Ludwig.“


______________
* Infos:
Die Völkerschlacht bei Leipzig (16.-19. Oktober 1813) gilt als die Entscheidungsschlacht der Befreiungskriege. Auf der einen Seite kämpfte Frankreich, unterstützt von Polen, einigen Mitgliedern des Rheinbundes und seinen Klientelstaaten in Italien, auf der anderen russische, schwedische, österreichische und preußische Truppen, unterstützt durch ein paar andere kleine deutsche Staaten. Mit 600.000 Teilnehmern blieb bis zum 1. Weltkrieg die größte Schlacht der Geschichte.
bloody idiot – engl. = verdammter Idiot
back to business – engl. = zurück zum Geschäftlichen
by the way – engl. = nebenbei bemerkt
да [sprich: da] – russ. = ja
Pommern gehörte seit dem 17. Jahrhundert zu Schweden. Während der Napoleonischen Kriege wurde es zweimal von französischen Truppen besetzt.
Die schwarz-rot-goldenen Uniformen gehen auf das Lützowsche Freikorp zurück. Seine Farben (schwarze Uniform mit goldenen Knöpfen und roten Abzeichen) war die Inspiration für die Farben der Urburschenschaften (national gesinnte Studentenvereinigungen, die sich nach den Napoleonischen Kriegen für einen deutschen Staat, statt der zahlreichen kleinen Staaten einsetzten).
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Beitrag von Lollie Do Feb 20, 2014 8:05 am

Der Sturz eines Riesen – Schlacht bei Paris
„Damit wäre alles geklärt“, verabschiedete Preußen die anderen Nationen. Russland lächelte und verließ das Zelt. Aber Österreich blieb bei ihm und sah ihn vorwurfsvoll an.
„Was ist denn noch, Roderich?“, fragte der Albino, während er seine Pistolen spannte.
„Du weißt genau, worum es geht!“, schnaubte der Adlige.
„Es geht also schon wieder um ihn? Ich weiß wirklich nicht, was du für ein Problem mit Ludwig hast!“
„Ich habe kein Problem mit ihm. Aber mit deiner Art mit ihm umzugehen.“
„Weil ich Preußen bin, oder was?“, fragte er genervt und sah sich in der spiegelnden Klinge seines Säbels an, bevor er sie wegsteckte, „Oder weil er für Deutschland kämpft?“
„Jetzt stell dich nicht dumm, du Ignorant!“, polterte Österreich und eine Strähne fiel ihm ins Gesicht, „Ich habe euch doch gesehen. Du gehst mit ihm um, wie mit einem Bruder. Ihr unterhaltet euch, trinkt zusammen und teilt sogar eure Ration. Aber Ludwig ist nicht Karl, auch wenn er ihm ähnlich sieht! Versuche nicht ihn zu ersetzen!“
„Denkst du der Tod des Kleinen ist mir leicht gefallen?“, Preußen sprang abrupt auf und sein Gesicht färbte sich knallrot, „Es hat mir weh getan! Denkst du, ich werde ihn je vergessen?“
„Nein...“, sagte Österreich beschwichtigend und legte ihm die Hände auf die Schultern, „Aber versprich mir eins. Werde dir darüber klar, wer du bist und wer er ist. Er ist ein Mensch und -“
„Irrtum, Roderich“, sagte Preußen trotzig.
„Was?“
„Ich sagte Irrtum“, der Weißhaarige grinste, „Er ist mehr als das.“
„Hast du den Verstand verloren?“
„Kesesesese“, lachte Preußen im Hinausgehen, „Vielleicht. Du wirst schon noch sehen!“

Draußen schien die Sonne an einem kühlen Märzmorgen. Preußen sah vom Hügel Richtung Stadt, Richtung Paris. Das letzte Ziel in diesem Krieg. Am Ende dieses Tages sollte Frankreich vor ihm liegen, wie er es damals tat. Heute stand ihm nicht nur Preußen gegenüber. Russland und Österreich waren hier und er hatte niemanden mehr. Spanien war befreit, auch Süditalien, die Schweiz und Holland hatten sich von ihm abgewandt. Einzig Italien hielt noch zu ihm, konnte ihm aber in keinster Weise mehr helfen. Es war aus.
„Gilbert?“, fragte eine feste Stimme, „Lass uns reiten.“
Es war der blonde Soldat, den er vor Leipzig kennen gelernt hatte. Er hatte ihn für diesen Feldzug in seine berittene Truppe aufgenommen, statt der schwarzen Husarenuniform trug er aber immer noch die schwarz-rot-goldenen Farben der Freikorps.
„Ja, Ludwig“, seufzte Preußen und schwang sich in den Sattel, „Bringen wir es zu Ende.“
Noch bevor sie ausrückten schritt er die Reihen seiner Getreuen ab und stimmte sie auf den bevorstehenden Kampf ein:
„Wir haben uns Jahre lang immer und immer wieder gegen die Franzosen gestellt. Wir haben gegen sie gekämpft und sie haben uns gedemütigt, in unserer Heimat. Wir haben uns nicht brechen lassen und sind wieder auf das Feld marschiert! Wir haben sie aus Preußen, aus Deutschland vertrieben! Wir haben den Krieg in ihr Land getragen und heute, heute stehen wir vor Paris, dem Herzen Frankreichs! Und wir werden sie hier stellen! Wir werden hier kämpfen. Zusammen als Waffenbrüder! Für Preußen!!“
„Für Preußen! Für Deutschland!“, erscholl es wechselweise, als sie sich in Bewegung setzten. Sie ritten Paris entgegen, einer modernen Festung, die die Truppen mit Blei empfing. Pferde und Männer stürzten, doch ließen sie sich davon nicht entmutigen, zu klar war ihnen, dass sie am Ende des Tages die Sieger sein würden. Wie im Flug überbrückten sie die Entfernung zur Stadt, wo bereits die preußischen und österreichischen Fußtruppen kämpften. Links und rechts Schläge austeilend fuhren sie zwischen die französischen Reihen.
Plötzlich krachte es und eine Explosion ließ es Steine und Erdreich regnen. Als sein neuer Freund vom scheuenden Pferd fiel, saß auch Preußen ab. Im Durcheinander des blutigen Nahkampfes bahnte er sich einen Weg zu ihm. Er zog ihn auf die Beine. Als der Blonde plötzlich seine Pistole zog und in seine Richtung hielt, stockte Preußen der Atem. Der Soldat feuerte und direkt hinter Preußen ertönte ein Schmerzensschrei.
„Pass besser auf“, grunzte er währen er die Pistole gegen den Säbel tauschte und sich umsah.
„Das kann ich selbst“, erwiderte Preußen sauer und rammte sein Schwert in einen angreifenden Franzosen, „Da vorne, da ist eine Bresche! Die Kanonen müssen ein Pulverlager getroffen haben!“
Die beiden Kämpfer nickten sich zu und wagten zusammen den Sprung. Im Wechselspiel ihrer Waffen wehrten sie jeden Angreifer ab und gelangten hinauf zu der noch rauchenden Lücke in den Mauern.
„Francis muss hier irgendwo sein!“, schnaubte Preußen, dem der Pulverdampf in den roten Augen brannte, „Das ist Paris und er wird die Stadt nicht verlassen, solange hier gekämpft wird!“
„Wir finden ihn“, sein Mitstreiter kniff die Augen zusammen und trat aus dem Rauch heraus.
Vor ihnen lagen die Trümmer der Explosion und die Straßen der Großstadt öffneten sich vor den beiden. In den Gassen herrschte heilloses Durcheinander. Soldaten und Zivilisten gleichermaßen drängten sich sich aneinander vorbei. Einen einzelnen Mann zwischen hunderttausenden zu finden, würde nahezu unmöglich werden. Trotzdem stürmten sie durch die Menschenmassen und begaben sich auf eine schwierige Suche.

Frankreich saß alleine in einem riesigen, dunklen Saal. Er goss sich ein weiteres Glas Wein ein und trank es in einem Zug aus. Nichts war übrig geblieben. Er stand auf und sah zwischen den Vorhängen hinaus Richtung Champs-Élysées. Nie hätte er geahnt, dass sich hier ein solches Chaos zutragen könnte, hier im Zentrum seiner Macht.
„Riens ne va plus...*“, murmelte er und ließ sich wieder in seinen Stuhl zurückfallen. Er besah in dem wenigen Licht, das einfiel eine Bleikugel, „Alles habe ich gehabt. Europa war mein... Wir hätten alle einer leuchtenden Zukunft entgegengesehen... Wie naiv ich war...“
Einen Moment betrachtete er sein Spiegelbild im Blei. Dann lud er seine Pistole. Langsam hob er sie an seine Schläfe und ein Knall hallte durch den Saal.
Preußen hatte die Tür aufgestoßen und stapfte in den Raum. Im Zwielicht konnte er die Silhouette Frankreichs schemenhaft erkennen.
„Jetzt habe ich dich!“, Preußen ließ sein Schwert in die Scheide gleiten und zog sein Faschinenmesser*, „Du wirst dafür büßen, was du - ah!“
Ein Schuss wurde abgefeuert. Aus dem Dunkel heraus hatte Frankreich seine Waffe von der Schläfe sinken lassen und auf Preußen gerichtet. Dieser sank getroffen zu Boden, während seine schwarze Uniform sich mit seinem Blut vollsog.
„Gilbert...“, Frankreich erhob sich langsam und näherte sich dem Niedergeschossenen, „Ich muss dir wohl danken. Merci, du hast mich vor einer großen Dummheit bewahrt.“
Der Blick Preußens wurde trübe und er spuckte dem mild lächelnden Mann Blut ins Gesicht, als dieser sich über ihn beugte.
„Das habe ich wohl verdient“, seufzte Frankreich und wischte sich mit dem Handrücken den Auswurf und eine Träne weg.
„Nein“, durchschnitt eine raue Stimme die Dunkelheit des Saals, „Du verdienst etwas anderes...“
Schwere Schritte überwanden die Entfernung von der Tür bis zu Frankreich schneller als man es geglaubt hätte und plötzlich spürte er kalten Stahl an seiner Kehle. Reumütig hob Frankreich seine Handgelenke.
„C'est fini...*“, hauchte er.
Mit einem groben Griff fasste der Neuankömmling ihn und zerrte ihn zum nächsten Fenster. Von einem der Vorhänge riss er die Kordel ab und band die Hände seines Gefangenen zusammen so fest er konnte. Nachdem er den letzten Knoten geknüpft hatte, schleuderte er Frankreich mit dem Gesicht voran zu Boden und stürzte zu Preußen.
„Wer bist du?“, fragte Frankreich resigniert.
„Ein Deutscher“, tat der Soldat ihn ab und horchte nach dem Herzschlag des Albinos.


______________
* Infos:
Die Schlacht bei Paris bildete die Abschlussschlacht des Winterfeldzugs 1814, bei der nur wenige Verteidiger den um das Vielfache überlegenen Kräften der Alliierten gegenüberstanden. Nach der Kapitulation der Stadt hielten die Sieger eine Siegesparade ab. Napoleon, der während der Schlacht nicht in der Stadt war, wollte einen Gegenangriff führen, aber seine Generäle weigerten sich. Dies ebnete den Weg zu den Verhandlungen im April, bei denen Napoleon kapitulierte. Nach seiner Kapitulation versuchte er mit Gift Selbstmord zu begehen, was allerdings scheiterte.
Riens ne va plus – frz. = Nichts geht mehr
Ein Faschinenmesser war eine Mischung aus Waffe und Werkzeug . Da der Messerrücken wie eine Sägeklinge geformt war, konnten damit Gurte durchtrennt und Holz zersägt werden, aber auch sehr schwere Wunden verursachen, die schlecht heilten. http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/8/83/Faschinenmesser_1810.jpg
C'est fini – frz. = Es ist vorbei
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Beitrag von Lollie Sa Feb 22, 2014 2:41 am

Die Uhr zurück drehen? - Der Wiener Kongress
An einem runden Tisch saßen sie, die größten Mächte Europas. In dem hell erleuchteten Ballsaal lag eine gewisse Spannung in der Luft, denn die Aufgabe, vor der sie standen war enorm. Sie wollten den gesamten Kontinent neu ordnen. Ihm nach Jahrzehnten der Unrast endlich Frieden geben. Österreich, Spanien, Großbritannien, Preußen, Russland und Schweden sie alle berieten sich, sogar Frankreich war anwesend.
„Ich finde es schade, dass wir nicht in Москва́* feiern", beschwerte sich Russland, ohne sein gefrorenes Lächeln fallen zu lassen.
„Weil es in Flammen aufgegangen ist, isn't it?“, warf Großbritannien ein, „Wir sind jetzt eben in Vienna. Get used to it*! Und Ihr Tee ist eiskalt, Mr. Edelstein!“
„Wir sind hier auch nicht um Tee zu trinken“, Österreich schwitzte, während er durch seine Papiere sah, „Wir haben viel Arbeit vor uns, wenn wir alles wieder in Ordnung bringen wollen.“
„Mal nur die Ruhe“, schaltete sich Preußen ein, der sich in seinem Stuhl weit zurück gelehnt und die Stiefel auf den Tisch gelegt hatte, „Das kriegen wir doch locker hin.“
„Kann ich mich woanders hinsetzen, por favor*?“, fragte Spanien und sah beunruhigt zu Frankreich neben ihm.
„Ach, mon ami*“, seufzte dieser und starrte beschämt zu Boden, „Sei doch nicht so nachtragend. Ich habe es doch nicht so gemeint.“
„Nicht so gemeint?“, Preußen stand auf und ging zu ihm herum, „Du hast mich fast über den Haufen geschossen! Du solltest gar nicht hier sein, wenn es nach mir ginge.“
„Pardon*, Gilbert...“, zärtlich legte Frankreich ihm die Hand auf die Brust, wo die Kugel eingedrungen war. Er sah mit einem Blick zu ihm auf, der einen Stein erweicht hätte.
„Gilbert, nimm wieder Platz“, Österreich hatte endlich die Karte gefunden, die er gesucht hatte und breitete sie auf dem Tisch aus, „Das war die Lage vor dem Krieg.“
„Ich habe hart gekämpft, да?“, Russland begann mit einem Messer neue Grenzen zu ziehen, „Feliks und Tino müssen mir helfen. Ich muss mein Haus wiederaufbauen. Wir schaffen es nicht alleine, да Eduard, Raivis, Toris?“
Tiefes Schweigen breitete sich im Raum aus. Die drei baltischen Staaten, die am Rande des Kongress Platz genommen hatten erzitterten und begannen hektisch zu nicken, als Russland zu ihnen hinüber sah, aber ansonsten schien niemand mehr etwas zu Russlands Forderungen sagen zu wollen. Innerlich kochend, aber ohne ein Wort zu sagen, verließ daraufhin Polen den Raum. Er hatte sich einen eigenen Staat gewünscht. Dafür gekämpft, Frankreich hatte ihm helfen wollen, auch von Preußen hatte er gedacht, dass er ihn lieber in Freiheit sähe, als Russland diesen Sieg zu gönnen. Ein weiß-rot geteiltes Einstecktuch sank langsam zu Boden, während die Tür hinter dem blonden Mann geräuschvoll ins Schloss fiel.
„Well“, meldete sich Großbritannien zu Wort und grinste, „Das dürfte dann aber auch genügen, Mr. Braginsky. I demand nothing*, aber ich gebe meine Beute nicht wieder her!“
„Yo soy contento*“, murmelte Spanien, „Aber was wird aus Lovino? Mi niño*...“
„Keine Sorge“, Österreich nahm einen Stift zur Hand und machte sich an der Karte zu schaffen, „Er hat mir seine Forderungen bereits mitgeteilt. Unzweideutig. Er bekommt seine Eigenständigkeit. Wo wir gerade von Italien sprechen... was wird aus Feliciano?“
„Ich denke es ist das Beste, wenn du dich wieder um ihn kümmerst“, murmelte Frankreich leise und sah betreten nach unten, „Du hast ihm doch so sehr gefehlt... Du hattest Recht, was den Kleinen angeht...un enfant innocent*...“
„Und was kriege ich?“, Preußen fing missmutig an auf seinem Stuhl zu schaukeln, „Francis hat mich geschlagen, mir mitten in die Musketenkugel getreten und mich noch fast erschossen! Jetzt macht sich Ivan in meinem Hinterhof breit und Berwald hängt weiter vor meiner Haustür rum?“
„Das ist geklärt“, knurrte Schweden, „Mathias sagt, du kannst Pommern und Rügen haben.*“
„Pft!“, schnaubte Preußen und warf einen Beutel Geld auf den Tisch, „Gib ihm das. Ich brauche keine Almosen von euch!“
„Nun, Gilbert“, fuhr Österreich fort, „Ich werde dir das Rheinland überlassen, aber nur damit du für mich ein Auge auf Francis hast. Du verfährst damit sowieso, als wäre es deines.“
„Sag das nicht so, als wäre es was Schlimmes!“, nölte der Albino, „Ich kümmer mich wenigstens drum!“
„Wie auch immer...“, der Aristokrat fuhr mit dem Finger weiter über die Karte, „Ich habe auch vor Tim in Zukunft auf Laura aufpassen zu lassen. Für uns ist sie einfach zu weit weg, Antonio.“
„Sí“, Spanien nickte, „Er wird sich schon gut um sie kümmern.“
„Dann ist die Frage, was wird aus Basch?“, flüsterte Frankreich.
„Dazu wollte ich gerade kommen“, harkte Österreich ein, „Ich bin der Auffassung er wäre bei mir am besten aufgehoben.“
„Du, ich glaube nicht, dass er das will“, Preußen lächelte wissend, „Oder willst du, dass er dich erschießt, wenn du es ihm erzählst. Ich fände das ja nicht schlecht!“
„Dann... lass ihn doch mir“, bot Frankreich zaghaft an.
„Нет*!“, Russland funkelte böse und begann Flüche in seinen Schal zu murmeln.
„Aber...“, setzte Frankreich erneut an.
„No way*!“, unterbrach Großbritannien ihn rüde, „Du hast verloren, bloody idiot! Forderungen stellen nur die Sieger!“
„Und was wird dann aus ihm?“, fragte Spanien in Gedanken versunken.
„Wir lassen ihn selbst entscheiden“, schlug Preußen vor, „Das ist gerecht.“
„I don't think so*“, schmetterte Großbritannien den Vorschlag ab, „Dann kippt das Gleichgewicht auf dem Kontinent, sobald sich Mr. Zwingli für eine Seite entscheidet! In my humble opinion*, sollte er verpflichtet werden sich nicht mehr einzumischen. Nennen wir es doch armed neutrality*!“
„В поря́дке*“, Russland lächelte wieder mild.
„Na gut“, stimmte auch Österreich zu, „Aber ich glaube das genügt für heute. Bitte arbeitet für die nächste Sitzung eure Forderungen noch etwas aus. Nächstes Mal reden wir über die Handelsbestimmungen.“
„Great!“, lachte Großbritannien und trank den letzten Schluck Tee.
„Es wird funktionieren“, dachte Österreich und verließ den Raum als Erster, „Wir drehen die Uhr wieder zurück. Alles wird wieder gut. Alles wird wieder, wie es immer war...“

„Du wolltest mich sprechen?“, fragte Österreich in das dunkle Kirchenschiff hinein. Er kam gerade aus dem Ballsaal. Nach dem rauschenden Fest in dem hellerleuchteten Salon und der lauten Musik hatten seine Sinne sich noch nicht an die Lichtverhältnisse gewöhnt und die Stille des Gotteshauses wirkte fast unheimlich.
„Allerdings“, schallte es zurück. Preußen war zum Gebet auf die Knie gegangen. Er hatte Hut und Mantel abgelegt, sodass man unter seinem Hemd die Verbände noch erkennen konnte. Auf dem Altar hatte der Albino eine Kerze entzündet.
„Die ist für Karl, nicht wahr?“, fragte Österreich und legte ihm die Hand auf die Schulter.
„Ja...“, sagte der Albino und senkte den Blick, „Ich hoffe, dass es der Kleine gut hat... da wo er jetzt ist.“
„Das wird er, Gilbert.“
Still saßen sie da und sahen zu, wie das kleine Feuerchen der Kerze auf dem Docht tanzte. Als sie fast ausgebrannt war, wurde ihr Schein schwächer, sodass die beiden Nationen kaum noch etwas erkennen konnten. Immer wieder zuckten Schatten über die hohen Steinwände des Kirchenbaus.
„Weißt du, Roderich“, Preußen nahm den Kerzenstumpf auf und schirmte mit der anderen Hand die kleine Flamme ab, „Manchmal glaube ich, es ist mit uns wie mit Kerzen...“
„Wie meinst du das?“, Österreich legte seine Stirn in Falten.
„Wir sind da, um dieser Welt Licht zu geben“, begann er und ging um den Altar herum, „Wir geben den Menschen Halt.“
Preußen verbarg die Kerze in seinen Händen. Sofort fiel der Raum in tiefe Dunkelheit, dass man die Hand vor Augen nicht sah.
„Aber... wir sind auch auf sie angewiesen“, allmählich wurde es wieder heller, als Preußen begann mit dem kaum noch brennenden Kerzenstummel einen kleinen Leuchter anzuzünden, „Keine Nation ohne Volk. Und ein Volk ohne Nation, schafft sich eine...“
Der Schein der frisch entzündeten Kerzen erhellte die düstere Kirche wieder, besser als es die kleine Kerze vorher getan hatte. Österreich konnte sogar die kleinen Tränen sehen, die Preußen in der Gewissheit, es sei zu dunkel sie zu erkennen, nicht wegwischte.
„Das hast du sehr schön gesagt“, der Adlige lächelte ihn milde an.
„Weißt du was ich glaube?“, der Albino trat wieder hinter dem Altar vor und ließ sich auf einer Kirchenbank nieder, „Auch wenn das Heilige Römische Reich... weg ist. Muss jemand diese Lücke füllen. Verstehst du?“
„Nicht ganz. Würdest du bitte etwas präziser sein?“
„Ich glaube, ich habe die Deutsche Nation gefunden...“
Österreich sog die Luft scharf ein. So etwas war in seiner Auffassung unerhört. In seiner langen Geschichte hatte er oft miterlebt, dass neue Nationen auftauchten, Aber hätte sich nie träumen lassen, dass so etwas dieser Tage noch mitten in Europa geschah, direkt vor seiner Haustür.
„Du meinst Ludwig?“, fragte Österreich.
„Ja“, Preußen hob den Kopf und sah ihn bestimmt an, „Er ist unnatürlich stark und außerordentlich zäh. Diesen wilden Angriff bei Leipzig... ein Mensch hätte das nicht überleben können. Aber Nationen wie wir... du weißt schon.“
„Und deshalb glaubst du, er sei die Deutsche Nation?“
„Nicht nur. Er hat etwas an sich. Eine Wirkung. Etwas Ermutigendes. Wenn ich ihn in der Nähe weiß, fürchte ich weder Berwald noch Ivan.“
„Das habe ich gemerkt“, die ältere Nation legte nachdenklich den Kopf in den Nacken, „Er ist freilich eine sehr besondere Person.“
„Ich glaube, er ist mehr als das. Er geht mit mir ganz anders um, als andere Menschen.“
„Ich habe es gesehen. Ludwig und du, ihr seid wie Brüder. Er lässt sich nicht von dir einschüchtern und betrachtet sich als gleichwertig. Er hält große Stücke auf dich...“
„Du hast mit ihm gesprochen?“, verwundert starrte er den sonst so reservierten Aristokraten an.
„Ja“, er lächelte, „Er ist ein besonderer junger Mann. Aber, ob er wirklich einer von uns ist? Ich bin ich mir nicht sicher. Gewöhne dich lieber nicht zu sehr an ihn. Wenn du dich irrst, dann wird er altern und sterben.“
Preußen stand wieder auf und sah Österreich eindringlich an: „Roderich. Ich habe dich nicht gebeten hierher zukommen, um mich zu belehren. Ich will dich um deine Hilfe bitten. Wenn Ludwig tatsächlich eine Nation ist, dann ist jetzt der Zeitpunkt! Hier auf dem Kongress! Die anderen müssen es wissen und er muss seinen Platz in unserer Mitte einnehmen!“
Österreich blickte in die Augen des Albinos. Wie oft hatte er schon in diese beiden roten Pupillen gesehen? Er hatte schon vieles herausgelesen: Zorn, Furcht, Stolz, Neid, Resignation, Langeweile, Zuversicht... aber das was er nun sah, hätte er nie zu träumen gewagt: Er forderte nicht, er bat ihn, nein, er flehte demütig um seine Hilfe.
„Ich werde es mir überlegen“, sagt Österreich und schritt langsam zum Ausgang. Preußen sah ihm noch nach, bis er die Kirche verlassen hatte und wieder auf dem Weg zurück zur abendlichen Feier war. Im Licht des Leuchters warf der Zurückgebliebene einen langen Schatten in Richtung Ausgang, der blasser wurde, als die Kerzen in seinem Rücken voll erstrahlten.
„Ach Roderich...“, Preußen seufzte und sah an sich hinab auf die Verbände, die die jüngste Schusswunde bedeckten, „Es wird nie wieder so, wie es früher einmal war...“


______________
*Infos:
Auf dem Wiener Kongress wurde in den Jahren 1814/1815 über eine Neuordnung Europas nach den Napoleonischen Kriegen beraten. Es sollte möglichst der Status vor der Revolution wiederhergestellt werden (Restauration), alte Adelsgeschlechter ihre Herrschaftsansprüch wieder durchsetzen kommen (Legitimität) und eine stabile Friedensordnung aufgebaut werden, in der sich die großen Herrscher gegenseitig beim Verhindern weiterer Kriege und Revolutionen helfen (Solidarität). Einige der Einzelbestimmungen werden hier in aller Kürze angesprochen.
Москва́ [sprich: Moskwa] – russ. = Moskau
Get used to it – enlg. = Gewöhne dich daran
mon ami – frz. = Mein Freund
por favor – span. = bitte
Pardon – frz. = Entschuldige
I demand nothing – engl. = ich verlange nichts
yo soy contento – span. = ich bin zufrieden
mi niño – span. = mein Kleiner
un enfant innocent – frz. = ein unschuldiges Kind
Нет! [sprich: njet!] - russ. = Nein!
No way! - engl. = Niemals!
I don't think so – engl. = Das glaube ich nicht
In my humble opinion – engl. = meiner bescheidenen Meinung nach
armed neutrality – engl. = Bewaffnete Neutralität
В поря́дке [sprich: b porjadke] – russ. = In Ordnung
In einer Reihe von Übereinkünften zwischen Dänemark, Schweden und Preußen wurde durch den Tausch einiger Ländereien und Geldzahlungen Pommern an Preußen übereignet. Gleichzeitig erhielt Schweden die Herrschaft über Norwegen und Dänemark das Herzogtum Lauenburg.
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Beitrag von Lollie Fr Feb 28, 2014 2:11 pm

Fall und Aufstieg – Waterloo
„Ich bin zurück!“, kratzte eine Stimme im Hinterkopf von Frankreich, „Du wirst mich nicht los, du willst es auch gar nicht!“
Übermüdet und angetrunken warf sich die gebeutelte Nation in den Laken hin und her. Er stöhnte auf, grub die Nägel in sein eigenes Fleisch und schlotterte vor seinen eigenen Gedanken.
„Du willst doch nicht verlieren?“, säuselte die Stimme verführerisch, wie es sonst nur Frankreich selbst konnte, „Nein... Du willst nicht von einem Kongress beherrscht werden. Die Schranken, in die sie dich weisen wollen, du wirst sie überspringen. Du wirst sie zertrümmern!“
Wimmernd kroch er aus seinem Lager zum Spiegel an der gegenüberliegenden Wand. Sein eigenes Spiegelbild ließ ihn erschaudern: Die Schatten unter den rot verquollenen Augen waren ausgeprägter denn je. Das Kinnbärtchen war unter der schlechten Rasur völlig verschwunden und aus der schulterlangen Mähne hatte er sich in den letzten Tagen mehrere Büschel ausgerissen. Glänzend hoben sich Rinnsale frischen Blutes, das aus den selbst zugefügten Kratzwunden sickerte, von der aschfahlen Haut ab.
„Mais non...*“, ungläubig betrachtete Frankreich das Spiegelbild, „Was ist aus mir geworden...“
„Das, was du zugelassen hast“, krächzte es in seinem Hirn, „Ihnen hast du das zu verdanken. Sie haben dir verwehrt, was dir zusteht! Nimm es dir! Los!“
„Non...“, seufzte Frankreich, jede Faser seines Körpers schmerzte, „Ich kann nicht...“
„Doch!“, grollte es fordernd in ihm, „Steh für dein Recht ein. Du musst sie überwinden. Alle! Sie stehen dir nur im Weg! Wolltest du sie nicht führen?“
„Oui, mais...*“
„Wolltest du ihnen nicht voranschreiten?“, lockte die Stimme ihn wie ein Liebhaber, „In eine bessere Zukunft? Weiß der große Bruder Europas nicht besser als jeder andere, was für sie am besten ist?“
„Oui“, langsam erhob sich die schlanke Gestalt Frankreich und wischte sich das Blut von der Wange.
„Sind sie nicht hilflos ohne dich? Nur kleine, blinde Kinder, die eine leitende Hand brauchen? Von Zeit zu Zeit auch eine strafende Hand?“
„Bien sûr!*“, ein unheimlicher Glanz legte sich in die geröteten Augen, während er im fahlen Mondlicht das noch feuchte Blut an seinen Fingern betrachtete.
„Dann tu es! Geh hinaus und zwinge sie zu ihrem Glück!“
Mit einem grimmigen Lächeln knöpfte er seine Jacke zu und setzte seinen Zweispitz auf. Den Gürtel mit Degen und Pistole legte er sich noch um, bevor er noch ein Mal in den Spiegel blickte.
„La chasse commence!*“, genießerisch leckte er das Blut von seiner Hand.

Es war wie ein böser Traum. Innerhalb weniger Wochen schien es als, als würde sich alles wiederholen. Frankreich war wieder bereit ganz Europa zu erschüttern. Dieses Mal hatte aber niemand vor, es soweit kommen zu lassen. Der weite Weg von Wien hierher war beschwerlich gewesen, aber es galt so schnell wie möglich zu reagieren.
Vor einem kleinen Gasthaus, auf halber Strecke zwischen Brüssel und Löwen, saß ein besorgter Mann auf einer Bank. Er trug eine saubere Uniform, er hatte sie erst vor wenigen Wochen vom Schneider abgeholt. Nie hätte er gedacht, sie so schnell anlegen zu müssen. Von der Straße her nährten sich drei Männer zu Pferde. Zwei von ihnen kannte er.
„Dag allemaal*“, begrüßte der Mann mit in die Höhe stehendem blonden Haar die Reiter, „Habt ihr Hunger? Wollt ihr ein paar Matjes? Ik mach euch einen guten Preis.“
„Very nice*“, der erste Reiter stieg ab, er trug eine rote Uniform und sah den Mann, der sie empfing, unter seinen dichten Augenbrauen heraus ernst an, „Aber lassen Sie das Geschäftliche heute einmal außen vor, Mr. Jansen.“
„Würde mich nicht wundern“, sagte der zweite, weißhaarige Reiter, während er sich umständlich aus dem Sattel hievte, „Wenn er jetzt schon kein Pulver mehr hat, weil er alles an Francis verkauft hat!“
„Das war vred!*“, protestierte der blonde Mann, „Das würde ich nie tun... nicht schon wieder. Francis kann ohnehin nicht mehr zahlen. Wo habt ihr eigentlich Roderich gelassen? Wird er uns nicht helfen?“
„Well“, meldete sich der Rotrock wieder, „Er ist in Vienna geblieben. Ich habe hier das Kommando. Wie ist die Lage?“
„Niet goed.* Francis ist auf dem Vormarsch Richtung Brussel. Deshalb bin ich mit Laura hier her gekommen. Hier ist es sicherer.“
„Dann stellen wir ihn, bevor er hier ankommt!“, Preußen wies, so gut er trotz der einschnürenden Verbänden konnte, in Richtung Westen.
„Mr. Beilschmidt“, ermahnte ihn Großbritannien, „Sie wissen, dass ich hier den Oberbefehl führe. Wir werden hier unser weiteres Vorgehen planen und dann handeln. Did you get that?*“
„Na gut“, gab der Albino klein bei und ließ sich am Tisch im Vorgarten nieder, „Ludwig komm schon. Du musst auch Bescheid wissen!“
Der große, grimmig dreinschauende dritte Reiter gesellte sich als Letzter zu den anderen an den Tisch, während eine Karte der Umgebung ausgebreitet wurde. Die drei Nationen diskutierten hitzig über die Aufstellung und wo sie ihren Angriff ausführen wollten. Der wortkarge Blonde mischte sich hierbei nur gelegentlich ein, wenn sie vom Thema abwichen; zum Beispiel, als Belgien den Herren etwas Brot und Bier heraus brachte und es Holland nicht gefiel, dass Preußen ihr zu lange nachsah, woraus um ein Haar eine handfeste Auseinandersetzung geworden wäre. Am Ende des Abends zogen sie sich alle ins Gasthaus zurück, um für den Tag der Abrechnung bereit zu sein. Ihre Entscheidung war gefallen: Sie würden Frankreich vor einem kleinen Ort namens Waterloo entgegentreten.

Großbritannien blickte über den Lauf einer Kanone und schätzte ab, wo die Kugel einschlagen würde. Dann ließ er seinen Blick in die Ferne schweifen, zu dem Hügelkamm, über den die französischen Truppen kommen würden.
„Dort werden wir sie schlagen“, sagte er trocken und zeigte auf einen Bereich im freien Feld, „Mr. Beilschmidt, Sie werden den Angriff auf der linken Seite anführen. Be cautious!* Wir werden sie mit schwerem Beschuss eindecken.“
„Kein Problem“, Preußen grinste schief, „Wenn das Blei von Francis mich nicht tötet, dann eben deines!“
„Very funny*“, wandte sich Großbritannien von ihm ab und überprüfte mit Holland ein weiteres Geschütz. Preußen verließ die beiden mit seinem wortkargen Begleiter.
„Ich würde lieber mit den Grenadieren vorrücken“, beschwerte sich der Blonde und schwang sich auf den Rücken seines Pferdes.
„Das weiß ich“, Preußen tat es ihm gleich und sie setzten in Bewegung, „Aber ich brauche dich bei diesem Angriff an meiner Seite.“
Der Blonde grunzte nur und sagte nichts weiter. Er wusste, dass Preußen ihn nicht zwingen würde und er gehen konnte, wenn er wirklich wollte. Aber das wollte er nicht. In den letzten Monaten hatte er in ihm einen treuen Freund gefunden. Obwohl er über die sorglose und übermütige Art des Albinos oft nur den Kopf schütteln konnte, wusste er seinen Mut und Einsatz zu schätzen.
Die beiden erreichten ihre Einheit und hörten bereits die ersten Schüsse der Kanonen. Die Schlacht hatte begonnen. Preußen prüfte noch ein letztes Mal seine Pistolen bevor sie losritten, um die Franzosen zurückzuschlagen.

Frankreich hatte sich selbst ins tiefste Getümmel geworfen. Rings um ihn schlugen Kanonenkugeln in, zerschmetterten Soldaten, prallten vom harten Boden ab und schlugen Schneisen in seine Reihen. Mit der Trikolore-Fahne in der einen und dem Degen in der anderen Hand führte er den Angriff. Genau wie das Banner, so trug auch er dreierlei Farben: Blau war seine Jacke und seine Hose weiß. Rot war das Blut, das aus seinen Wunden und von seiner Waffe rann. Es waren alte Verletzungen, die wieder aufbrachen, Splitter einschlagender Geschosse, Bajonette, Schwerter und Gewehrkugeln, die ihn trafen. Niemand hätte solche schweren Verletzungen überleben können, geschweige denn einfach wegstecken. Niemand, außer einer Nation getrieben von ihrem ungebrochenen Willen und dem unerschütterlichen Glauben an sich selbst.
Der Beschuss hatte Frankreich übel zugesetzt. Trotzdem schleppte er sich im Laufschritt über das Feld. Er wusste genauso gut wie seine Gegner, allen voran sein geliebter Feind Großbritannien, dass er nur die Kraft zu diesem letzten Angriff hatte, aber wenn er gelänge und die Anhöhe in seiner Hand wäre... Dann wäre diese Schlacht gewonnen. Der Nimbus des Unbesiegbaren würde zurückkehren. Seine alten Verbündeten, auch sie würden wieder zu ihm zurückkehren. Er würde es doch noch schaffen Europa in eine bessere Zukunft zu führen. Eine Zukunft, die sich außer ihm niemand auch nur vorstellen konnte.
Sein Sturmangriff verlor an Geschwindigkeit. Statt auf vereinzelte Verteidiger traf er nun auf massiven Widerstand. Frankreich stürzte sich auf immer neue Gegner und erschlug zahllose Soldaten. Doch wie er auch wütete, die Schlachtreihe hielt dem Angriff stand. Er sah sich einen Moment um, eine endlose Sekunde betrachtete er das groteske Geschehen um ihn herum:
Die anstürmenden Franzosen zu Fuß und zu Pferde fielen reihenweise im Feuer der Briten und Niederländer. Die, die es bis zu ihren Reihen schafften, fanden sich im verbissensten Nahkampf. Und auch den Verteidigern ging es nicht besser. Auch sie trafen die donnernden Salven von Kanonen und Musketen. Beide Seiten schenkten sich nichts und gingen über die Leichen, die sie selbst in so großer Zahl produzierten...
Ein Knall ertönte, den kaum jemand über den Lärm der Schlacht hinweg hören konnte, und eine einschlagende Pistolenkugel riss Frankreich fast von den Füßen. Preußen hatte aus dem Reiten heraus auf ihn geschossen. Er sprang aus dem Sattel und landete wenige Meter von seinem Gegner entfernt. Er hatte sich ohne Rücksicht auf Verluste zu ihm durchgekämpft. Die Wunden unter den Verbänden waren wieder aufgebrochen, obwohl man es auf seiner schwarzen Uniformjacke schlecht sah, war auch sie blutverschmiert. Sein blonder Mitstreiter folgte ihm und schirmte ihn gegen die auf sie eindringenden Franzosen ab. Er wusste, das Interesse des Weißhaarigen galt nur einem Gegner.
„Gib auf, Francis!“, brüllte Preußen, als er den Zustand des aus unzähligen Wunden blutenden Frankreichs erkannte, „Es ist vorbei!“
„La vieille garde meurt, mais elle ne se rend pas!*", erwiderte ihm der Schwerverwundete trotzig. Mit übermenschlicher Kraft rammte er die Flagge in seiner Hand in den Boden. Der dreifarbige Stoff hing zwar in Fetzen, doch erfüllte ihn der Gedanke unter seinem Banner den entscheidenden Kampf auszutragen, mit mehr Kraft, als man seinem geschundenen Äußeren zugetraut hätte.
„Wie du meinst“, siegessicher löste zog Preußen den Verband um seine Schulter und seinen Säbel. Mit der andern Hand griff er die abgefeuerte Pistole am Lauf, um sie wie einen Knüppel zu benutzen. Er biss die Zähne zusammen, um den brennenden Schmerz des heißen Metalls in seiner blanken Hand zu verdrängen.
Mit einem überraschenden Sprung drang Frankreich auf seinen Gegner ein und stach nach der Schulter, wo Preußen eben den Verband gelockert hatte. Als die scharfe Klinge durch Fleisch und Sehnen drang, krümmte sich dieser vor Schmerz und ließ die Pistole fallen. Tränen trübten seinen Blick und er fasste sein Schwert umso fester.
„So unvorsichtig, Gilbert“, höhnte Frankreich, als er sich mit einem Satz wieder aus der Reichweite von Preußens Säbel brachte.
Der blutende Albino richtete sich wieder auf. Schmerzhafter als der Stahl traf ihn der Spott. Er kniff die Augen zusammen und fixierte seinen Gegner, der zu einem erneuten Angriff ansetzte. Etwas Metallisches blitzte in der Linken Frankreichs auf, während er mit der Rechten ausholte. Innerhalb eines Wimpernschlages schlug Metall auf Metall und eine scharfe Klinge bohrte sich in warmes Fleisch.
Den Stoß mit dem Degen konnte Preußen mit der eigenen Waffen parieren, aber den Dolch, den Frankreich gezogen hatte, sah er nicht kommen. Dafür hatte jemand anders die plötzlich hervorgeholte Waffe bemerkt, nämlich sein blonder Freund. Er hatte sich dazwischen geworfen. Die übermenschliche Wucht, mit der Frankreich zustieß, trieb die Schneide bis zum Griff in seine Brust und brach ihm die Rippen. Langsam ging der tödlich Getroffene auf die Knie und spuckte Blut. Weder Preußen noch Frankreich hatten damit gerechnet.
„Toi*?“, Frankreich sah fassungslos auf ihn herab, „Du schon wieder?“
„Ja“, ächzte der Angesprochene und mit jeder Silbe spuckte er kleine Bluttropfen, „Ich konnte... nicht wieder... einen Freund... für Deutschland... sterben lassen...“
„Das hatte ich auch nicht vor!“, mit einem knackenden Geräusch zerschmetterte Preußens Faust den Kiefer von Frankreich, der noch immer um Fassung rang, und überzog ihn mit einem Hagel aus Hieben, „Du kriegst alles zurück! Das ist für Basel! Der hier für Tilsit!* Für den elenden Rheinbund! Und der für Ludwig!“
Zurückweichend stolperte Frankreich über einen Toten und sah erschrocken zu Preußen auf, der ihn wütend anfunkelte und die Spitze des Säbel auf die blutverschmierte Brust des am Boden Liegenden richtete.
„Ich frage dich ein letztes Mal“, knurrte Preußen und Flammen schienen aus seinen roten Pupillen zu schlagen, „Ein letztes Mal, bevor ich den Kleinen räche... Ergibst du dich, Francis?“
Frankreich holte Luft und der Bruchteil einer Sekunde vor seiner Antwort wurde für ihn zu einer kleinen Ewigkeit.

Frankreich stand in einem dunklen Raum. Es war still. Nach der Reizüberflutung auf dem Schlachtfeld kam es ihm unerträglich vor. Aber ein leises Säuseln lag in der Luft. Erst hatte er es nicht bemerkt, aber jemand redete mit ihm. Eine Stimme weich wie flüssige Seide und süß wie Honig umwarb seine Ohren.
„Willst du aufgeben?“, fragte sie, wie eine enttäuschte Geliebte, die man des Morgens verließ, „Alles verraten wofür du stehst? Wofür wir stehen?“
„Bitte“, Frankreich bettelte, „Lass mich gehen... Ich kann nicht...“
„Du kannst nicht?“, spie die Stimme vorwurfsvoll aus und war plötzlich hart wie Stein und kalt wie Eis, „Oh doch! Du kannst es, wenn du nur willst! Wir können es!“
„Non...“, Frankreich begann sich zu bewegen, obwohl er nicht wusste wohin und warum.
„Wir könnten groß sein!“, lockte die Stimme, aber sie schien hinter Frankreich irgendwo zurückzubleiben, „So wie wir es waren! Wir können es wieder sein!“
„Peut-être*“, sagte Frankreich und stieß gegen etwas, „Aber nicht so! Ich kann nicht mehr so weiterleben. Nicht mit dir. Wer bist du überhaupt?“
„Wer ich bin?“, die Stimme im Dunkeln schien brüskiert, „Ich bin du. Wir sind eins! Ich bin dein Stolz! Ich bin alles das, was du sein willst, aber alleine nicht den Mut hast zu sein!“
„Non!“, Frankreich befühlte das Etwas, gegen das er gestoßen war. Es war eine Türklinke.
„Doch!“, polterte es wie aus weiter Entfernung, „Du verleugnest dich selbst!“
„Fiche-moi la paix!*“, er riss die Tür auf und Licht fiel ein. Gespannt sah er in die Richtung aus der er die Stimme gehört hatte. Aus den Schatten hob sich eine Silhouette ab. Ein schlanker Mann mit langem, blonden Haar. Er drehte sich weg und verschwand tiefer in den Schatten. Frankreich war wie vom Donner gerührt. Die Stimme hatte tatsächlich die Wahrheit gesagt. Sie war er. Einen kurzen Moment, bevor es im Schatten verschwand, sah er sein eigenes Gesicht.
Frankreich lehnte sich gegen den Türrahmen und warf einen Blick auf die andere Seite. Es war ein kleiner Raum, hell, ohne dass eine Lichtquelle zu sehen war. In der Mitte lagen zwei Blumen. Eine Rose und eine Lilie, seine Lieblingsblume und seine Wappenblume. Er hob sie beide auf und roch an ihnen und schlagartig wurde ihm klar, wo er sich hier befand.
Frankreich legte seinen Kopf in den Nacken und Tränen liefen über seine Wangen. Er lachte, aus voller Kehle und das erste Mal seit mehreren Jahren lachte sein Herz.

„Je me rends...*“, Frankreichs Blick wandelte sich von einer Sekunde auf die nächste. Das unheimliche, eiskalte Leuchten wich aus seinen Augen. Dann schloss er sie.
Preußen sah auf ihn hinab und ließ seinen Säbel wieder in die Scheide gleiten. Frankreich stand daraufhin auf, öffnete den Gurt, der Pistole und Schwertscheide hielt und ließ sie zu Boden fallen, bevor er sich umdrehte und vom Schlachtfeld hinkte. Preußen wandte sich von Frankreich ab und ging zurück zu seinem am Boden liegenden Freund. Der Dolch steckte noch immer tief in seiner Brust und Blut rann aus der Wunde.
„Was machst du denn da, Ludwig?“, fragte Preußen verständnislos.
„Ich sterbe, Gilbert“, er hustete Blut.
„Hör mal auf damit“, sagte der Albino und zog den Verletzten auf die Beine, die zu dessen Verwunderung, doch nicht unter seinem Gewicht nachgaben. Dann packte er Frankreichs Waffe und zog sie aus dem Fleisch. Sein Freund schrie laut auf, aber blieb aufrecht stehen. Verwirrt sah er zwischen der klaffenden Wunde und dem grinsenden Gesicht Preußens hin und her.
„So schnell stirbt eine Nation nicht“, lachte dieser und umarmte seinen Mitstreiter, „Weder die preußische, noch die deutsche!“

Aus der Entfernung beobachtete Großbritannien die Szene mit seinem Fernrohr. Er hatte eigentlich die Einschläge der Kanonenkugeln verfolgt, aber als er Frankreich und Preußen gesehen hatte, war die Artillerie Nebensache geworden. Er nuschelte etwas Unverständliches und lächelte.
„Was meinst du?“, fragte Holland, der gerade dabei war das Pulver für die nächste Salve abzumessen.
„For he today that sheds his blood with me shall be my brother*“, wiederholte der Rotrock, „Wenn ich es nicht selbst gesehen hätte, würde ich es nicht glauben. Aber jetzt ist mir auch klar, wieso Mr. Beilschmidt unbedingt wollte, dass er ihn begleitet!“
Holland sah Großbritannien stirnrunzelnd an. Der Inselbewohner war für ihn ein Rätsel innerhalb eines Geheimnisses, umgeben von einem Mysterium. So wie er es schon immer gewesen war.


______________
* Infos:
Nach der Rückkehr des abgesetzten Napoleon übernahm er innerhalb kurzer Zeit wieder die Kontrolle über Frankreich, wo man mit dem neu eingesetzten König unzufrieden war. Die Mächte des Wiener Kongresses konnten die Absetzung des Königs, dem sie wieder auf den Thron geholfen hatten, allerdings nicht akzeptieren und zogen in Belgien ihre Truppen zusammen. Bei Waterloo sollte die britische Armee geschlagen werden, bevor sie sich mit der preußischen vereinen konnte, was allerdings scheiterte, als diese auftauchten und in die Schlacht eingriffen. Mit der Schlacht verlor Napoleon auch weitgehend den Rückhalt in Frankreich, sodass er schlussendlich abdanken musste.
Mais non – frz. = Aber nicht doch
Oui, mais – frz. = Ja, aber
Bien sûr – frz. = Natürlich
La chasse commence – frz. = Die Jagd beginnt
Dag allemaal – nl. = Hallo zusammen
Very nice – engl. = Sehr nett
vred – nl. = gemein
Niet goed – nl. = nicht gut
Did you get that? - engl. = Verstanden?
Be cautious! - engl. = Sei(d) vorsichtig!
Very funny – engl. = sehr lustig
La vieille garde meurt, mais elle ne se rend pas! - frz. = Die alte Garde stirbt, aber sie ergibt sich nicht. Dieses Zitat wird Pierre Cambronne, einem der französischen Generäle, zugeschrieben, als sich das Blatt für die französische Armee bei Waterloo wendete. Andere behaupten, er habe nur „Merde“ gesagt, als die Briten auf seine Stellung vorrückten.
Toi – frz. = Du
Bei Basel und Tilsit wurden 1795 und 1807 die Friedensverträge zwischen Preußen und Frankreich unterzeichnet. In beiden dominierten die Ansprüche Frankreichs, weshalb sie als diplomatische Niederlagen Preußens gelten.
Peut-être – frz. = Vielleicht
Fiche-moi la paix! - frz. = Lass mich in Ruhe!
Je me rends – frz. = Ich ergebe mich
For he today that sheds his blood with me shall be my brother – engl. = Denn welcher heut sein Blut mit mir vergießt, der wird mein Bruder. Ein Zitat aus William Shakespeares Theaterstück "The Life of Henry the Fifth".
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Beitrag von Lollie Fr März 28, 2014 7:18 am

Das Ende des Anfangs – Der Deutsche Bund
In einem Versammlungssaal in Frankfurt* war es mit dem ruhigen Gespräch vorbei, als zwei Streithähne aufeinander trafen.
„Du kannst nicht den Vorsitz führen!“, Österreich schoss das Blut ins Gesicht, „Ich habe das Vorrecht!“
„Red keinen Mist!“, Preußen lächelte und zeigte bewusst viele Zähne, „Wir haben die letzte Schlacht geschlagen, also gib Ruhe!“
Der zorngerötete Adlige fuhr auf: „Dreister Ba-“
„Halt!“, wurde er unterbrochen.
Es war Deutschland, der ihm laut das Wort abschnitt. Er atmete flach und Schweiß stand auf seiner Stirn. Er wischte sich über das untypisch blasse Gesicht.
„Es ist vier Uhr“, informierte er alle mit einem Blick auf seine Taschenuhr, „Die nachmittägliche Pause beginnt nun! In zwanzig Minuten gehen die Verhandlungen weiter!“
Deutschland ging mit Österreich und Preußen vor die Tür. Außerhalb des Saals lockerte er den engen Sitz seines Vatermörder-Kragens* und legte die eng taillierten Frack ab, woraufhin sich seine Atmung und seine Gesichtsfarbe wieder normalisierten.
„Erinnert mich ein wenig an Regensburg“, nölte Preußen.
„Meinst du, Gilbert?“, fragte Österreich und sah ihn säuerlich an, „Und willst du, dass es hier genauso endet?“
„Meine Herren“, Deutschland meldete sich zu Wort und wedelte mit einer dicken Akte, „Ihr beide kriegt euch jetzt wieder ein. Ihr habt genau geregelt, wie die Bundesversammlung ablaufen soll! Also haltet euch daran!“
Die Akte, die Deutschland den beiden unter die Nase hielt kannten sie nur zu gut. Sie erinnerten sich, wie sie sie aufgesetzt hatten...

Die schwere Aufgabe der Neuordnung Europas hatte Österreich als die größte Herausforderung empfunden. Bis Preußen mit einer unmöglichen Bitte an ihn getreten war, die auf einer ungeheuerlichen Vermutung fußte. Er hielt es selbst für unwahrscheinlich, dass er die Deutsche Nation gefunden hatte. Aber er hatte Preußen nicht mehr weinen gesehen, seitdem der alte Fritz von ihm gegangen war. Darum hatte er sie zusammengerufen, die Nationen, die derzeit über die Zukunft Europas berieten. Nur Frankreich war wie vom Erdboden verschwunden, aber er wollte ihn sowieso nicht dabei haben.
„Wieso holst du uns alle hierher?“, fragte Spanien verschlafen, „Ich dachte heute wären keine Verhandlungen mehr angesetzt.“
„Das musste leider etwas geändert werden“, Österreich sah sich unzufrieden im Saal um, „Wie ihr seht, sind wir heute nicht alleine. Ich habe einige Gesandte herbeordert, da das was wir heute besprechen von enormer Tragweite ist.“
„Und was soll das sein, Mr. Edelstein?“, fragte Großbritannien entnervt.
„Nun“, meldete sich Preußen zu Wort, der kaum fassen konnte, dass Österreich das für ihn tat, „Wir, wir glauben eine Nation gefunden zu haben!“
Es brauchte einige Augenblicke, bis jeder realisierte, was die weißhaarige Nation gerade gesagt hatte. Die lethargische Stimmung wich binnen Sekunden einer ernsten, angespannten Atmosphäre, sogar Russland ließ sein Lächeln fallen und legte die Stirn in Falten.
„No way!*“, Großbritannien lachte unsicher und beobachtete Russland aus den Augenwinkeln heraus, „Sie belieben zu scherzen, Mr. Beilschmidt!“
„Ganz und gar nicht“, Preußen schüttelte den Kopf und fuhr ernst fort „Wie ihr Sie alle wisst, ist Karl von uns gegangen. Ein Verlust, der uns alle hart getroffen hat. Ein Verlust, der tiefe Wunden gerissen hat.“
Er sah in den Kreis der Nationen. Er erkannte, wie sich jeder zurückerinnerte. Jeder auf seine Weise. Österreich dachte daran, wie er seinem kleinen Zögling damals beibrachte das Cembalo zu spielen und er sich freute, als er ihm eine Spieluhr schenkte, die das erste Lied, das er gelernt hatte, abspielte. Preußen selbst dachte an ihren ersten Zeltausflug, wie er dem Kleinen abends bei Grillwurst eine Gruselgeschichte erzählt hatte und ihm seinen ersten Schluck Bier gegeben hatte. Auch hinter Schwedens eiskaltem Äußeren regte sich ein Funken der Anerkennung, für den Zwerg, den er im Dreißigjährigen Krieg kennen gelernt hatte und der, obwohl er ihm gerade einmal bis zum Oberschenkel reichte, ihm großen Respekt abgenötigt hatte. Spanien sah zu Österreich hinüber und dachte an ihre gemeinsame Zeit*, damals in ihrem Goldenen Zeitalter, als es hieß nur sie drei gegen den Rest der Welt, was ihm nun so weit entfernt schien. Großbritannien kramte in seinen Kindheitserinnerungen, wie ihm sein Spielkamerad damals Souvenirs aus Italien mitgebracht hatte, die er in einer großen Kiste mit der Aufschrift „Latin junk*“ im Keller aufbewahrte, was er in diesem Moment bereute. Einzig Russland war nicht von Sentimentalität erfasst. Nein, er freute sich, dass sie alle einen Freund verloren hatten. Einen Freund, dessen Platz er nun einnehmen wollte.
„Aber ihr habt doch alle Братец* Ivan“, sagte er und ein unheimlicher Schatten fiel über sein Gesicht, als er seinen Kopf nach vorne neigte, „Reicht euch das nicht?“
„Jedenfalls...“, Preußen zögerte und sah verstört zu dem hochgewachsenen Mann, von dem er nicht wusste, ob er einen Heulkrampf oder einen Tobsuchtsanfall erwarten sollte, „Ich denke...“
„Wir denken“, korrigierte Österreich ihn und fuhr mit fester Stimme fort, „Dass dies alles nicht ohne Folgen bleiben kann. Auch wenn Karl nicht mehr ist, sein Geist ist geblieben. Es gibt noch Menschen, die an die Deutsche Nation glauben. Und ebendiese Leute haben wir hier und heute versammelt. “
„Und deswegen glaubst du an so ein Hirngespinst?“, fragte Spanien stirnrunzelnd, „Wir haben lange keine neuen Nationen mehr gefunden.“
„Antonio“, unerwartet schaltete sich Schweden ein, „Du bist doch Entdecker. Warst du zumindest einmal. Solltest du nicht etwas aufgeschlossener sein, hm?“
„I can't believe it*“, hauchte Großbritannien, der bereits überlegte, wie sich die neue Nation auf den Kontinent auswirken würde, „Sie haben mich zwar noch nicht überzeugt, aber mir gefällt die Idee. Mr. Edelstein, Mr. Beilschmidt, sie brauchen jemanden, der zwischen ihnen vermittelt.“
„Hörst du eigentlich zu, Arthur?“, fragte Preußen, „Wir haben eine neue Nation, hier, mitten in Europa. Und...“
„Sure*“, England lachte und stand auf, um zu gehen, „Aber das glaube ich erst, wenn ich sie sehe.“
Mit einigen Schritten durchquerte er den Raum und war schon bei der Tür, als sich ein Mann räusperte. Großbritannien drehte sich noch einmal um, und sah wie einer der Gesandten vortrat. Das graue Haar ging ihm langsam von der Stirn her aus. Großbritannien kannte ihn, er war häufig an der Seite Österreichs gewesen und hatte ihn zu allen Verhandlungen begleitet. Er reichte Österreich eine dicke Mappe mit zahlreichen Papieren und entfernte sich wieder devot.
„Es ist ihr Wunsch“, begann der Adlige und schlug die Akte auf, „sich zu einem Bund zusammen zu schließen. Das betrifft auch Gilbert und mich, und die Deutsche Nation.“
„Und was haben wir damit zu tun?“, fragte Großbritannien, der wenige Momente zuvor noch zur Türklinke greifen wollte.
„Anerkennung“, sagte Preußen, „Jeder von uns soll unterzeichnen. Roderich und ich haben es schon getan. Damit garantiert ihr für den Deutschen Bund, den Zusammenschluss der deutschen Länder und erkennt damit Ludwig als einen von uns an...“
„Whatsoever*“, Großbritannien knirschte mit den Zähnen und kam zurück zum Tisch, um das Dokument zu überfliegen, das Österreich ihm entgegenhielt. Auch den anderen übergab er jeweils ein Exemplar, während das Original in den Händen des Briten blieb.
„Well“, begann er, nachdem er es durchgelesen hatte, „Ich glaube Ihnen das Märchen von Ludwig und der Deutschen Nation nicht. Aber Ihre Idee ist nicht schlecht, just to keep your feet on ground*. Ich werde unterschreiben.“
Mit einem eleganten Federschwung unterzeichnete er und gab die Mappe weiter. Der Reihe nach unterzeichneten auch Schweden, Spanien und auch Russland. Nachdem dieser den letzten Strich seines Namenszug auf das Papier gezwungen hatte, hellte sich seine Miene wieder auf.
„Je mehr, desto besser, да?“, sagte er und verließ ein Kinderlied summend den Raum, mit gebührendem Abstand gefolgt von Großbritannien, Schweden und Spanien. Preußen und Österreich blieben zurück, auch noch als die Gesandten mit den unterzeichneten Dokumenten gegangen waren.
„Wieso schaust du so finster?“, fragte Preußen, der sich erleichtert streckte, „Ist doch alles gut gegangen, oder?“
„Vorerst“, Österreich setzte seine Brille ab und rieb seine müden Augen, „Sie sagen, dass sie Ludwig akzeptieren werden. Aber werden sie ihn auch respektieren?“
„Wenn es weiter nichts ist“, der Albino warf sich in eine Heldenpose, „Wir werden uns den Respekt verdienen, Seite an Seite auf dem Schlachtfeld!“
„In welchem Krieg denn?“
„Du wähnst dich hier immer noch auf einem Friedenskongress, oder?“, Preußen trat an Österreich heran und sein Gesicht verfinsterte sich, „Ist dir aufgefallen, dass Francis schon einige Zeit weg ist? Was denkst du wohl tut er? Na?“

„Hier steht es“, Deutschland riss die beiden aus ihrer Erinnerung, als er mit lauter Stimme vorzulesen begann, „Artikel 5: Österreich hat bei der Bundesversammlung den Vorsitz, jedes Bundes-Glied ist befugt, Vorschläge zu machen und in Vortrag zu bringen, und der Vorsitzende ist verpflichtet, solche in einer zu bestimmenden Zeitfrist der Beratung zu übergeben.“
„Hast du das Ding auswendig gelernt, Ludwig?“, fragte Preußen enttäuscht.
„So sind die Regeln“, antwortete Deutschland unnachgiebig, „Roderich führt den Vorsitz. Finde dich damit ab und störe nicht!“
„Mensch, Ludwig“, meckerte der Albino weiter, „Ich dachte, nachdem ich dir bei Waterloo das Leben gerettet habe, würdest du mich mehr mögen als Roderich.“
„Gilbert. Erstens ist das keine Frage der Sympathie. Zweitens war ich nicht wirklich in Gefahr. Drittens wurde ich nur verwundet, weil ich dir das Leben retten wollte!“
Die drei Nationen gingen noch ein wenig den Flur hinab und plauderten, als Deutschland auf seine Taschenuhr sah. 19 Minuten nach vier. Er schloss den engen Kragen seines Hemdes und zog den Frack wieder an: „Die Sitzung geht gleich weiter!“
„Und?“, fragte Österreich seinen liebsten Gegenspieler, während sie Deutschland hinterhersahen, „Was denkst du, wie es weitergehen wird?“
„Ich bereite mich auf jedes Ereignis, das da kommen könnte, vor. Mag das Glück mir günstig sein oder ungünstig, das soll mich weder mutlos machen, noch übermütig.*“, antwortete er ihm, und Österreich schloss die Augen und nickte zustimmend.
„Gilbert ist wohl endlich erwachsen geworden“, dachte er bei sich und lächelte zufrieden, bis er merkte, dass Preußen seine kurze Unachtsamkeit nutzte, um sich schnell zum Versammlungssaal zu stehlen und vor ihm einzutreten. Sofort hetzte Österreich ihm hinterher, um nicht nach ihm anzukommen.
Was die Zukunft bringen würde? Darum würden sie sich kümmern, wenn es soweit war; so wie es immer war...


______________
* Infos:
In einer eigenen Akte wurde auf dem Wiener Kongress bestimmt, dass (mehr oder weniger) die Länder, die bis zur Auflösung Mitglieder des Heiligen Römsichen Reiches gewesen waren, nun im Deutschen Bund (einem Staatenbund, nicht einem Staat!) vereint werden sollten. Ausdrücklich wurde aber betont, dass der Deutsche Bund nicht der Rechtsnachfolger des HRR sei. Er sollte vor allem der Friedenswahrung in den einzelnen Ländern und Mitteleuropa dienen. Die Bundesversammlung, das zentrale Gremium des Bundes, tagte seit 1816 in Frankfurt.
Der Vatermörder-Kragen und Frack gehörten zur Herrenmode der Biedermeierzeit (~1815-1850). Der Name des aufgesetzten Kragens kam einmal wegen seiner vor allem bei schlechtem Sitz äußerst einengende Trageweise und einmal wegen seines französischen Namens parasite – Schmarotzer, was so ähnlich klang wie parricide – Vatermord.
No way! - engl. = Niemals!
Der Habsburger Karl V. herrschte über Spanien (mitsamt Süditalien, Sizilien und einem umfangreichen Kolonialreich) und Österreich (zu dem ein großer Teil der heutigen Niederlande, Belgiens und Norditaliens, sowie Burgund gehörten) war gleichzeitig der Kaiser der HRR, eine Machtfülle, die kein Habsburger vor oder nach ihm erreicht hat. Unter ihm wurden diverse Kriege gegen das Osmanische Reich in Ungarn und Nordafrika, Frankreich. italienische Staaten, den Papst, viele deutsche Fürsten, die Inka und die Azteken geführt.
Latin junk – engl. = römischer Plunder
Братец [sprich: bratjets] – russ. = Brüderchen
I can't believe it – engl. = Ich glaub nicht dran
Sure – engl. = Sicher
Whatsoever – engl. = Was auch immer
just to keep your feet on ground – engl. = einfach damit du auf dem Boden (der Tatsachen) bleibst
"Ich bereite mich auf jedes Ereignis, das da kommen könnte, vor. Mag das Glück mir günstig sein oder ungünstig, das soll mich weder mutlos machen, noch übermütig.“ Soll einer der Leitsätze Friedrichs II. gewesen sein.
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